Feine Masche für Beine und Umwelt

■ Serie NAX-Firmen (6): Der Feinstrumpfhosen-Hersteller Kunert AG hat ein gutes Umweltmanagement. Das Produkt ist allerdings kurzlebig

Berlin (taz) – In Wirtschaftskreisen gilt die Kunert AG als ökologischer Musterbetrieb. Der einstmals größte europäische Strumpfproduzent erhielt 3,6 von 5 Punkten auf der Öko-Rating- Skala der Firma Ökom GmbH in München. „Ein sehr hohes Niveau“, meint Dirk Reinhard von der unabhängigen Bewertungsfirma, der die Umweltschutzbemühungen an der Börse notierter Unternehmen untersucht hat. Grund für die positive Bewertung sei vor allem das sehr gut eingeführte Umweltmanagement des Unternehmens. Negativ habe sich in der Bewertung niedergeschlagen, daß das Hauptprodukt Feinstrumpfhosen sehr kurzlebig sei und zudem aus rein synthetischen Stoffen bestehe.

Schon vor zehn Jahren erklärte die Kunert AG umweltfreundliche Produktion zum Unternehmensziel. Inwieweit sich der Strumpfkonzern diesem Ziel annähert, darüber klärt der seitdem jährlich erscheinende Umweltbericht auf. Eine 1991 eingerichtete Ökokontrolling-Abteilung sorgt dafür, daß die eigenen Umweltrichtlinien eingehalten werden. Dazu gehört zum Beispiel, daß nur für unbedenklich erklärte Farbstoffe und Chemikalien in der Produktion eingesetzt werden, die auf einer internen „Grünen Liste“ verzeichnet sind. Umweltschutz koppelt sich mit betriebswirtschaftlichen Prinzipien: Um 5 Millionen Mark jährlich sanken die Kosten für Abwasser und Deponierung in einem Kunert- Werk durch den Einsatz „grüner“ Rohstoffe. Die Verwendung chlorfreier Farbstoffe machte den Bau einer 800.000 Mark teuren Kläranlage überflüssig, und der Verzicht auf silikonfreie Weichmacher sparte 40.000 Mark an Abwassergebühren.

Alle Kunert-Produkte entsprechen dem Öko-Tex-Standard 100, der beispielsweise Grenzwerte für Formaldehyd und Pestizide in den Endprodukten festlegt. Einige Umweltschützer kritisieren diese Richtlinie allerdings als „viel zu lasch“, da sie immer noch giftige Schwermetalle in Textilien zulasse. Für Simone Back vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht eine solche Richtlinie nur Sinn, wenn sie sich nicht nur auf die Endprodukte bezieht, sondern auf den ganzen Herstellungsprozeß. Als „vorbildlich“ bezeichnet sie die Bemühungen der Kunert AG um eine umweltfreundlichere Produktion.

Christian Wucherer, der seit 1991 die Ökokontrolling-Abteilung bei Kunert leitet, gibt zwar zu: Noch immer werden schwermetallhaltige Farben verwendet. Chrom, Kobalt, Eisen und Kupfer seien nötig, um vor allem dunkle Farben haltbarer zu machen. „Wichtige Großkunden, wie beispielsweise die Kaufhof AG, fordern extreme Farbechtheit“, erklärte Wucherer.

Von der Wirtschaftsflaute war auch die Kunert AG in den letzten Jahren betroffen. Der Umsatz des Unternehmens sank 1997 um mehr als ein Zehntel auf 450 Millionen Mark. Auch im laufenden Jahr seien die Umsätze weiter rückläufig, hatte Vorstandschef Hans-Jürgen Förster schon im Mai erklärt. Auf dem Aktienmarkt führte die Konjunkturschwäche zunächst zum Absturz der Stammaktie von 180 Mark Anfang April auf 91 Mark Ende September. Inzwischen stieg der Aktienwert jedoch wieder auf 105 Mark.

Um Ertragseinbußen zu vermindern, hat die Kunert AG mittlerweile einen Großteil der Produktion ins Ausland verlagert. Im Inland schloß Kunert dagegen ganze Werke, weniger als die Hälfte der 1991 noch 3.500 Beschäftigten sind im Stammsitz Immenstadt im Allgäu und im Werk Geyer in Sachsen übriggeblieben. Regine Wlassitschau