Finanzbeamte sehen mehr Gerechtigkeit

■ Die Steuergewerkschaft sieht in der geplanten Reform positive Ansätze, wünscht sich aber mehr Prüfer und warnt vor Hektik

Auf den ersten Blick klingt alles noch ein wenig verworren: Eine Giftliste mit 72 Punkten tröpfelt aus dem Finanzministerium nach außen, wobei wichtige Aspekte fehlen. Außerdem ist noch unklar, wann die Entlastungen und wann die Grausamkeiten eigentlich eingeführt werden – ob schon zum 1.Januar oder erst im Jahr 2002. Doch für Dieter Ondracek, den Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, ist die Gesamtbilanz trotzdem positiv. Der Funktionär der Finanzbeamten sieht mit der Reform „ein Stück mehr Gerechtigkeit“.

Daß die Branche der Steuerberater nun wieder auf die Suche nach neuen Tricks geht, sieht er gelassen: „Findige Leute finden immer neue Wege. Gefährlich wird es nur, wenn die letztendliche Gesetzesvorlage in übertriebener Hektik erstellt wird. Dann sind die Fehler von morgen vorprogrammiert.“

Der genaue Text wird im Bundesgesetzblatt frühestens nächstes Frühjahr veröffentlicht. Der Entwurf des Ministeriums wird jedoch möglichst schnell vorgelegt, damit er für die Gerichte als bekannt gilt. Damit können sich Unternehmen nicht mehr darauf berufen, die groben Inhalte des Gesetzes wären ihnen nicht bekannt gewesen. Andernfalls könnten sie rückwirkend noch die alten Steuervergünstigungen geltend machen.

Für Ondracek gäbe es allerdings noch einen anderen Weg, ein Stück aus der Zwickmühle zwischen beabsichtigten niedrigeren Steuersätzen und den absackenden Staatseinnahmen herauszukommen. Schließlich liegen die Schätzungen über hinterzogene Steuern bundesweit pro Jahr irgendwo jenseits von 130 Milliarden Mark. „Mit ein paar Änderungen in der Abgabenordnung, die den Vollzug regelt, und mehr Leuten in den Finanzverwaltungen wären locker 20 oder 30 Milliarden Mark mehr zu holen. Dann wären auch noch ein paar Prozent weniger bei den Steuersätzen drin“, meinte der Steuermann gestern.

Mehr Beamte aber sind Ländersache. Das kostet zwar einerseits Gehalt, doch würden die Bundesländer zumindest bei der Einkommensteuer die Hälfte der Mehreinnahmen behalten können. Ob diese Mehreinnahmen bei jeder Landesregierung gewünscht sind, bleibt jedoch zweifelhaft – warum sonst schützen manche Länder indirekt „ihre“ großen Firmen durch Zeitvorgaben für ihre Beamten, die garantieren, daß sie so schnell nichts finden können?