Analyse
: Keine Panik, Saddam!

■ Der US-Kongreß macht den Sturz des irakischen Diktators unmöglich

Heute ist der 91. Tag, an dem im Irak keine Waffeninspektionen der Vereinten Nationen stattfinden, und es ist der vierte Tag, nachdem der Irak die Zusammenarbeit mit der UN-Kommission zur Zerstörung seiner Massenvernichtungsmittel (Unscom) verweigert hat. Noch hat der Irak nicht, wie von seinem UN-Botschafter Nisar Hamdun angekündigt, die UN-Inspekteure des Landes verwiesen. Doch in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat, der gestern zusammentrat, bezeichnete der Unscom-Vorsitzende Richard Butler die gegenwärtige Irak-Krise als die schwerste seit Beendigung des zweiten Golfkrieges im Frühjahr 1991. US-Verteidigungsminister William Cohen reiste gestern nach Europa, um mit den Verbündeten über die Situation zu beraten.

Doch Saddam Hussein scheint die angedrohte Bombardierung ausgewählter Einrichtungen im Irak nicht zu fürchten. Und er weiß, daß ein Einmarsch in den Irak, der seiner Herrschaft ein Ende setzen würde, nicht auf der Tagesordnung steht. Selbst ausgedehnte Luftangriffe sind höchst unwahrscheinlich, weil der US-Präsident sie nicht durchsetzen kann, weder international noch im eigenen Land.

Clinton kann sich größere Militäraktionen innenpolitisch nicht leisten. Zwar hätte ein von den USA angeführter Krieg gegen den Irak Umfragen zufolge die Unterstützung der Mehrheit der US-Amerikaner – selbst der Einsatz von Bodentruppen stieße auf Zustimmung, vorausgesetzt, US- Truppen stellten dabei nur ein Kontingent einer internationalen Streitmacht. Aber der US-Kongreß, in dem die Republikaner eine Mehrheit haben, wird sich jeder ausgedehnten Militäraktion widersetzen.

Längst sind die Zeiten vorbei, da Parteipolitik an den Grenzen der USA endet. Nach der Wahl 1994 wurde die alte Garde der Republikaner abgelöst, die bisher im Kongreß den Ton angegeben hatte, und durch neue Abgeordnete ersetzt. Ihnen ist Außenpolitik gleichgültig. Wichtig ist für sie nur ihre innenpolitische Vision eines Staates mit stark reduzierter Bundesregierung. Ihnen ist jedes Mittel recht, um einem Präsidenten die Hände zu binden, der an eine Rolle des Staates bei Sozialleistungen und staatlichen Investitionen glaubt. Sie kritisieren Bill Clinton, weil er die Herausforderungen aus Bagdad hinnimmt, würden ihm aber jede Militäraktion untersagen, die nicht zum schnellen Sturz des irakischen Diktators führt – wohl wissend, daß dies nur durch einen Einsatz von Bodentruppen möglich ist, für den sie nie ihre Zustimmung geben würden. Für jeden auch noch so begrenzten Einsatz militärischer Mittel müßte der Präsident politisches Kapital verausgaben, das er dringend braucht, um auch nur ansatzweise sein innenpolitisches Programm durchzusetzen. Peter Tautfest