Der Hüftschwung der Roboter

Performancekünstler Stelarc mag Prothesen und schraubt sich selbst zum Cyborg. Als maschinelles Insekt krabbelt er jetzt in Exoskeleton  ■ Von Christoph Twickel

Ein entzückender Kauz. Nicht wenige Zuhörer hätten ihn nach seinem Vortrag „Zombies, Cyborgs and Avatars“ am letzten Freitag in der Hochschule für bildende Kunst am liebsten eingepackt und mitgenommen. Und das obwohl der australische Performancekünstler Stelarc nicht eben leichte Kost im Gepäck hatte. Reichlich Bildmaterial von den „Suspension Events“ gab es, bei denen sich der Künstler Anfang der Achtziger Fleischerhaken in die Haut einziehen ließ, um dann von Kränen oder Seilzügen getragen über den Dächern von Weltstädten, in stillgelegten Aufzugsschächten oder an einsamen Meeresgestaden zu baumeln. Oder von der „Supported Structure“ von 1979, als ihm in einer Tokyoer Galerie für 75 Stunden Augenlider und Mund zugenäht wurden. Ende der Achtziger begann er – inzwischen ausgestattet mit seiner robotischen „Third Hand“ – seinen Körper mit medizinischen Muskelstimulatoren zur Gliederpuppe zu formen und deren Fernbedienbarkeit auszutesten: Stelarcs Bewegungen wurden von verschiedenen Städten aus per Bildschirm gesteuert, oder durch die Aktivitäten im Internet, welche summarisch in Gliederbewegungen übersetzt werden. Oder ganz lustig: „Ein willenloser Körper kontrolliert von einem Computermodell, also einem virtuellen Körper, welcher versucht, zu vermeiden, daß er von einem Roboter geschlagen wird wird, he he he!“

All das geschieht wirklich. Denn Stelarc hat zwar Humor, aber mit Science Fiction wenig am Hut. Stelarc testet in Interfaces zwischen seinem irdischen Leib und dessen künstlicher Umgebung die ästhetischen Erweiterungsmöglichkeiten des Körpers aus. Daß Maschinen die körperlichen Fähigkeiten an die Wand spielen können, daß der Körper obsolet wird, daß wir nicht individuelle Agenten unseres Körpers sind: Stelarc will's wissen. „Ich illustriere meine Ideen nicht durch die Performances, sondern ich realisiere sie dort“, sagt der hartnäckige kleine Mann mit dem bürgerlichen Namen Stelios Arcadiou.

Keineswegs geht es ihm um persönliche Erfahrungen: „Dieser Körper ist einfach das am bequemsten verfügbare Erkundungsmedium.“

Für Hamburg hat er im Rahmen eines „Artist in Residence“-Stipendiums der Kulturbehörde ein besonders imposantes Interface konzeptioniert: Mitte letzter Woche wurde in der Halle K6 auf Kampnagel die „Walking Machine“ entladen. Während Tom Diekmann, Stefan Doepner und Gwendolin Taube von der Hamburger Künstlergruppe F 18, die in zweimonatiger Arbeit das kleinwagengroße Stahlgetier konstruiert haben, die Beine anbringen, läuft Stelarc aufgeregt drumherum und erklärt die Bewegungsabläufe: Vorwärts und rückwärts, das gäbe eine eher abrupte Bewegung, dafür würde seitwärts eleganter und außerdem könne sich die Maschine auch in den Hüften wiegen: „Das sieht dann sehr sexy aus.“ Die Maschine natürlich, nicht der Künstler. Denn der steht auf einer Plattform in der Mitte des Stahlinsektes, steckt in einem Anzug aus Kabeln und Schaltern und ist vollauf damit beschäftigt, per Armgesten die Fortbewegung sowie einen Greifarm mit Robotfingern zu steuern. All das unter reichlich Gezische und Gezosche, wie Stelarc glaubwürdig verspricht, denn jedes der sechs Beine des Ungetüms wird von drei pneumatischen Ventilen angetrieben.

Ein Spektakel also, daß er „Exoskeleton“ getauft hat, aber kein choreographiertes, denn Mensch und Maschine müssen das gemeinsame Gehen erst lernen. „Meine Perfomances sind nicht zu Unterhaltungszwecken entworfen worden“, sagt Stelarc. „Es stört mich aber nicht, wenn das Publikum sie unterhaltsam findet.“

5. bis 7. und 12. bis 14. November, jeweils 21.30 Uhr, k6, Kampnagel