Als das Faxen noch geholfen hat Von Paul Behrens

„Hatten Sie uns den Text übers Internet geschickt?“ erkundigte sich die Kollegin am Telefon. Nein, übers Internet hatte ich ihn nicht geschickt. Kleinlaut mußte ich einräumen, daß ich das Manuskript von Köln nach Zürich auf eine etwas altmodische Weise übermittelt hatte: Ich hatte es gefaxt. Das war nicht weiter schlimm; der Text war angekommen, und zwar in voller Länge.

Die volle Wahrheit habe ich allerdings nicht gesagt. Sie ist mir so peinlich, daß ich sie auch Ihnen, lieber Leser, nur unter der Bedingung anvertraue, daß Sie sie nicht weitererzählen. Die Wahrheit lautet: Ich habe noch nicht einmal ein Fax-Gerät. Gefaxt hatte ich den Text vom Gerät eines Freundes aus.

Einmal unter Geständniszwang, verrate ich noch mehr. Während Kollegen sich darüber austauschen, wo es die neuen Pentium-II- Rechner am billigsten gibt, schreibe ich noch immer auf einem betagten 386er und drucke meine Texte auf einem Nadeldrucker aus. Beide Geräte haben mich noch nie im Stich gelassen, und an das nervende Druckgeräusch habe ich mich schon längst gewöhnt. Bedauerlicherweise wird es auch in einer Großstadt wie Köln immer schwieriger, das passende Farbband zu bekommen. Und als ich kürzlich in einem führenden Bürowarengeschäft der Domstadt nach Endlospapier fragte, beschied mich die Verkäuferin: „Damit arbeitet kein Mensch mehr.“ Ihr Blick schien zu fragen: Kommt der Heini aus Bedburg oder aus Quadrath-Ichendorf?

Vor einigen Jahren machten wir Urlaub in der Provence. Dort gibt es in einem kleinen Örtchen namens Fontaine-de-Vaucluse ein Papiermuseum. Ein ergrauter Arbeiter führt dort ausführlich vor, wie man von Hand Büttenpapier schöpft. Eine kalte Gauloise im Mundwinkel, legte der Mann den Touristen die frischgeschöpften Bögen hin, voilà.

Inzwischen ist mir klar geworden, warum mir diese Szene nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Blick in die Vergangenheit war ein Blick in meine Zukunft. Wenn ich dereinst in Rente gehe und die Frage ansteht, wie dieselbe um Gottes willen über Sozialhilfe-Niveau zu bringen ist, mache ich einfach ein Museum für altertümliche Schreibtechniken auf. An Exponaten ist schon jetzt kein Mangel. Immerhin verfüge ich über drei Geräte aus der Steinzeit des Schreibens, sogenannte Schreibmaschinen – ältere Menschen mögen mit dem Wort wohl noch etwas anfangen können.

Diese Maschinen – darunter eine mechanische! – sind natürlich zu kostbar, als daß man sie vorführen könnte. Sie gehören in die Vitrine. Die Museumsbesucher werden aber schon mächtig beeindruckt sein, wenn ich meinen 386er anwerfe und am Ende ein echtes Manuskript aus dem sirrenden Nadeldrucker ziehe. Gegen einen geringen Aufpreis stelle ich auch eine gefaxte Version her.

Wo ich das Museum einrichten und eröffnen werde, ist noch offen. Natürlich wäre Fontaine-de-Vaucluse kein schlechter Standort; aber auch Quadrath-Ichendorf käme in Frage, mal sehen. Für das zahlende Publikum wird das ohnehin zweitrangig sein. Es muß schließlich nicht unbedingt anreisen, um mir beim Drucken und Faxen zuzuschauen, denn selbstverständlich verschicke ich auch Bilder davon übers Internet.