■ Normalzeit
: 1, 2, 3, viele Focus

Gerade hatte das Kreuzberger Videokollektiv Autofocus zehnjähriges Bestehen. Und es gab eine Retrospektive im fsk-Kino. Mit seinen Filmen dokumentiert Autofocus linke Aktionen in der Stadt, aber auch – und immer wieder gerne – in Guatemala. Zuletzt hatte ihr Werbefilm über die „Stiftung Umverteilung“ Premiere.

Diese gemeinnützige Erbschaftsverwaltung unterstützt ebenfalls – seit 1981 bereits – linke Aktivitäten: über 1.000 bisher – mit insgesamt 5 Millionen Mark. Erwähnt sei das „Gelöbnix“ vor dem Roten Rathaus. Aber auch Filme von Autofocus. Bei der Gründung des Videokollektivs wählte man die Vereinsform. Zunächst wurde dafür der Name „Focus“ gewählt – in Erinnerung an die im algerischen Befreiungskrieg entworfene Focus-Theorie, die später in Lateinamerika, aber auch in der West- und Ostberliner Kommunebewegung eine gewisse Rolle spielte. Das Vereinsgericht lehnte den Registereintrag ab: Es gäbe bereits einen – im sozialtherapeutischen Bereich tätigen – Focus-Verein. Auf die Schnelle wurde der Name in „Autofocus“ geändert, über den man jedoch nicht richtig froh ist: „Er erinnert zu sehr an das Selbstscharfstellen der Kameras für den Konsumerbereich – also an Hobbyfilmer, das sind wir nicht!“

Auch der Focus-Buchverlag hat „Namensprobleme“. Sein Hauptgesellschafter sitzt – wie angegossen – in Gießen, es gibt jedoch inzwischen auch einen Gesellschafter in Berlin: Dieser brachte seine Erbschaft in den Verlag ein. Womit schon angedeutet ist, daß es sich hierbei um eine reguläre Firma handelt. Als sie 68/69 gegründet wurde, gehörte dazu noch der linke Prolit Buchvertrieb, der inzwischen selbständig geführt wird. Im Focus-Verlag erscheinen immer wieder wichtige linke Bücher, aber auch viele Doktorarbeiten. Vor einigen Jahren bekam er Post von Hubert Burda, der den Namen Focus benutzen wollte. Der rechte Münchner Verleger zahlte dem linken Focus-Verlag schließlich 35.000 Mark. Es wurde ein Vertrag aufgesetzt: Burda darf keine Konkurrenzprodukte auf den Markt bringen (was er mit seinen Focus-Büchern inzwischen jedoch tut), und bei allen Geschäften mit dem Namen muß der Focus- Verlag informiert werden. Alles war geregelt.

Aber dann kam Ford und wollte ein Auto mit dem Namen Focus produzieren. Ford zahlte Burda eine Million Mark. Der Focus-Verlag nahm sich daraufhin einen Anwalt: den Rechtsanwalt und Regisseur Christoph Nix. Dieser zog noch einen Freiburger Urheberrechtsspezialisten hinzu. Die beiden erinnerten Hubert Burda erst einmal an den Vertrag. Burdas Anwälte wandten ein, das sei nur ein Gentlemen-Agreement gewesen. Außerdem sei die Ford-Million in eine gemeinnützige Stiftung geflossen. Daraufhin schrieben die Focus-Verlag-Anwälte der Firma Ford – wobei sie u.a. darauf hinwiesen, daß es für den Focus-Verlag, in dem die Buchreihe „Ökozid“ erscheine, besonders unangenehm sei, daß sein Name nun ausgerechnet für ein Auto benutzt werden solle. Eine Antwort von Ford steht noch aus. Aber die Zeit drängt: Das Focus-Auto wurde am 18.10. bereits als Brandenburger Torheit präsentiert – und eine einstweilige Verfügung kann teuer werden, für Ford. Die Focus-Verlagsanwälte sind also optimistisch: Da ist mindestens eine halbe Million drin! Eigentlich wollten die Focus-Verleger Urlaub machen. Jetzt warten sie aber erst mal ab, was sich da in ihrem Namen so alles tut. Helmut Höge

Helmut Höge ist Autor der taz. „Normalzeit“ – abgeleitet von Normalzeituhr – ist der Takt, in dem die Hauptstadt tickt.