Tränenpalast heult auf

■ Ohne finanzielle Hilfe von Senat oder Bahn muß der Tränenpalast nächstes Jahr dichtmachen. Der Schuldenberg ist zu hoch geworden.

Der Tränenpalast steht vor dem endgültigen Aus. Ohne finanzielle Unterstützung des Senats oder privater Förderer muß die renommierte Spielstätte am Bahnhof Friedrichstraße spätestens im Frühjahr nächsten Jahres ihre Pforten schließen. Der Schuldenstand bewege sich mittlerweile in sechsstelliger Höhe, sagte Geschäftsführer Markus Herold gegenüber der taz. Deshalb müßten sie bei ihrer Arbeit so viele Kompromisse machen, daß sie künftig nicht mehr die gewohnte Qualität beim Programm bieten könnten.

Die Misere in der ehemaligen Grenzabfertigungshalle hat sich im Laufe dieses Jahres zugespitzt. Erst im März verdreifachte die Deutsche Bahn als Eigentümerin die Miete von 5.000 auf 15.000 Mark monatlich. Gleichzeitig gehen seit längerer Zeit die Besucherzahlen zurück, wofür Herold unter anderem die Bahn verantwortlich macht.

Schon seit Jahren leiden die Tränenpalast-Betreiber unter der Baustelle an der Friedrichstraße. Erst sei die Straße aufgerissen worden, um Schienen zu verlegen, dann begann der Umbau des Bahnhofs, erinnert sich Herold. Baucontainer versperren den Blick auf den Tränenpalast, Besucher verlieren zwischen Bauzäunen und provisorischen Ausgängen die Orientierung. Am Stichweg zum Tränenpalast bildet sich zudem bei Regenwetter rasch eine Riesenpfütze, das Weidendammufer hinterm Tränenpalast ist seit Jahren gesperrt.

Das hält nicht nur Besucher ab, sondern auch Organisatoren lukrativer Veranstaltungen. Ursprünglich wollte Herold auch Kongresse, Firmenabende oder Fernsehsendungen in seiner Halle abhalten, um damit Kulturereignisse zu finanzieren. So hätte etwa Sat.1 Interesse daran gehabt, „Talk im Turm“ aus dem Tränenpalast zu senden. Nachdem Programmchef Fred Kogel jedoch das Chaos rings um die Halle gesehen habe, habe er abgesagt. Seit Beginn der Baustelle verzeichnte Herold Umsatzeinbußen von 40 Prozent.

Der Chef des Tränenpalastes fordert daher Entschädigung von der Deutschen Bahn. Bei ihrer Miete habe sie nur die Lage und die Quadratmeterzahl vor Augen. Aber von Instandsetzungsarbeiten an der maroden Wärmeisolierung, Entlüftung oder an den Abflußanlagen hätten sie bislang nichts gesehen, kritisiert Herold. „Dabei könnte die Bahn es sich bestimmt leisten, uns zu subventionieren.“

Darüber hinaus müsse auch der Senat einspringen. Gerade weil der Tränenpalast junge Künstler, auch aus Berlin, fördere, stehe die Stadt in der Pflicht. Anstatt für Einzelevents wie die „Fête de la musique“ Geld zu verpulvern, solle die Kulturverwaltung lieber eine reguläre Clubförderung betreiben, ist Herolds Ansicht.

Der Sprecher der Kulturverwaltung, Axel Wallrabenstein, reagiert auf diese Klagen vollkommen gelassen. Der Tränenpalast müsse seine Finanzierung offenlegen und einen Antrag auf Unterstützung stellen. „Dann können wir sehen, ob er förderungswürdig ist“, sagte Wallrabenstein. Schließlich sei es möglich, daß Herold schlecht gewirtschaftet habe und deshalb in Schwierigkeiten sei.

Für den Tränenpalast ist es laut Herold jedoch sehr schwer, Anträge für die Förderung von Einzelprojekten zu stellen. Da sie keinen festen Jahresetat hätten, könnten sie nicht ein Dreivierteljahr im voraus Gruppen engagieren. Das sei jedoch nötig, um Geld vom Senat zu bekommen.

In den nächsten Wochen will sich Herold mit der Kulturverwaltung nach einer Lösung suchen. Für ihn ist das vor allem eine politische Entscheidung: „Die Stadt muß sich überlegen, ob sie uns einfach aufgibt.“ Jutta Wagemann