Berlin ist Nachzügler beim Islamunterricht

■ Fünf Bundesländer experimentieren schon seit Jahren mit Religionsstunden für Muslime

Berlin (taz) – Es war nur eine Frage der Zeit. Daß nicht allein die beiden großen christlichen Kirchen das verfassungsmäßige Recht auf einen eigenen Religionsunterricht in Anspruch nehmen können – das war unter Juristen längst unbestritten. Doch wo ein Kläger fehlte, war bislang auch kein Richter: Weil es im Islam an einer straffen kirchlichen Organisation fehlt, gab es auch keinen geeigneten Träger für islamische Religionsstunden. Der Unterricht aber ist nach dem Berliner Schulgesetz allein Sache der Glaubensgemeinschaften – ohne Träger also kein Unterricht, so lautete die formale Argumentation der Berliner Schulverwaltung. Zudem ist der Religionsunterricht in der Hauptstadt freiwillig.

In allen übrigen Bundesländern aber ist Religion „ordentliches Lehrfach“: Die Teilnahme daran ist für alle Schüler Pflicht. Andere Länder mußten sich daher schon längst Gedanken machen, wie sie die Muslime beschäftigen, während deren christliche Mitschüler Religionsunterricht haben. Daß evangelische und katholische Kirche zu den vehementesten Verfechterinnen eines islamischen Religionsunterrichts zählen, erscheint dabei nur auf den ersten Blick paradox. Sie wollen damit dem Argument begegnen, in Zeiten von Multikulti sei der Religionsunterricht insgesamt obsolet.

Nicht zuletzt deshalb sind die katholischen Hochburgen Bayern und Nordrhein-Westfalen die Vorreiter beim Islamunterricht. In Bayern tritt dabei, und das ist höchst umstritten, der türkische Staat an die Stelle der Religionsgemeinschaft: Ankara bestimmt die Lehrpläne und leiht die Lehrkräfte aus. Hingegen hat das Kultusministerium des Landes Nordrhein- Westfalen eigene Schulbücher und Lehrerfortbildung entwickelt. Dort findet der islamische Religionsunterricht innerhalb der Unterrichtsteile in türkischer Sprache statt, ebenso in Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Daraus ergibt sich allerdings ein Nachteil: Diejenigen Muslime, die nicht Türkisch sprechen, werden ausgegrenzt.

Während der offiziellen Religionsstunden müssen muslimische Schüler in den meisten Bundesländern gemeinsam mit den Ungläubigen das Ersatzfach Ethik besuchen. Ralph Bollmann