Juristisch unbedenklich

Die umstrittene Islamische Föderation darf jetzt voraussichtlich an Berliner Schulen Religion unterrichten  ■ Aus Berlin Ralph Bollmann

Es war eine kurze Verhandlung mit großen Folgen. Nur wenig mehr als eine Stunde hatte die mündliche Verhandlung am Berliner Oberverwaltungsgericht gedauert, doch mehr als zwei Stunden lang zogen sich die Richter zur Beratung zurück. Dann verkündeten sie die Sensation: Die Berliner Schulverwaltung muß erneut darüber entscheiden, ob die Islamische Föderation an den hauptstädtischen Schulen Religionsunterricht erteilen darf. Nach dem Urteil wird der Behörde kaum etwas anderes übrig bleiben, als die Erlaubnis zu erteilen.

Zwar steht die Föderation, eine Dachorganisation von neun Moscheevereinen, der Organisation Milli Görüș nahe, dem Auslandsableger der fundamentalistischen Wohlfahrtspartei des früheren türkischen Ministerpräsidenten Erbakan. Der Verfassungsschutz stufte Milli Görüș als extremistisch ein, die Föderation freilich bekennt sich in ihrer Satzung offiziell zum Grundgesetz.

Doch juristisch ist gegen das Ansinnen der Islamischen Föderation, die 1981 den ersten Antrag auf einen eigenen Religionsunterricht stellte, wenig einzuwenden. Schließlich ist Religion in Berlin kein Pflichtfach, sondern allein Sache der Glaubensgemeinschaften. Der Staat hält lediglich zwei Wochenstunden im Stundenplan frei, stellt die Unterrichtsräume und beteiligt sich an der Finanzierung.

Die Frage war also lediglich, ob es sich bei der Föderation tatsächlich um eine Religionsgemeinschaft handelt. Nach Ansicht der Schulbehörde fehlte es am „religiösen Konsens“, weil die Föderation Angehörige der sunnitischen wie auch der schiitischen Glaubensrichtung aufnehme. Das Gericht jedoch sah „die weltanschauliche Neutralität des Staates tangiert“, wenn er sich mit religiösen Einzelheiten beschäftige.

Vollends verständnislos reagierte das Gericht auf das Argument der Schulverwaltung, die Föderation benötige eine „religiöse Vertretung gegenüber dem Schulträger“. Ein solcher Begriff sei seinem „Verständnis von Verwaltungsrecht fremd“, erklärte der Vorsitzende Richt lachend.

Daß nun ausgerechnet eine solch dubiose Vereinigung als erste islamische Organisation an deutsche Schultüren klopft, hat sich die Berliner Schulverwaltung selbst zuzuschreiben. Ihr Prozeßvertreter ließ vor Gericht durchblicken, daß die Behörde im Gegensatz zu anderen Bundesländern nie selbst die Initiative zu einem Religionsunterricht für die rund 30.000 islamischen Schüler in Berlin ergriff.

Außer der Föderation habe noch niemand das Ansinnen geäußert, erklärte er auf die Frage des Richters, wie sich der Berliner Senat die religiöse Vertretung der Muslime an den Schulen vorstelle. Über die Praxis in anderen Bundesländern sei er „nicht unterrichtet“. Einen Hebel, die Islamische Föderation von den Schulen fernzuhalten, hat die Behörde jetzt nur noch bei den Lehrplänen. Sie sind bereits eingereicht, aber noch nicht geprüft worden.

Der Türkische Bund (TBB), der liberale Dachverband türkischer Organisationen in Berlin und Brandenburg, hält die Islamische Föderation nicht für geeignet, als Trägerin eines islamischen Religionsunterrichts aufzutreten. Politische Organisationen kämen dafür „nicht in Frage“, erklärte TBB- Sprecherin Emine Demirbüken.

Statt dessen solle die Schulverwaltung selbst die Trägerschaft für einen religionskundlichen Unterricht statt eines bekennenden Religionsunterrichts übernehmen. Um auch anderen Muslimen die Möglichkeit zur Teilnahme zu geben, solle nicht Türkisch, sondern Deutsch Unterrichtssprache sein.