Tändelei und Tränen

■ Hure und Heilige: Bei „espressiva“ wurde das Frauenbild in der Oper thematisiert

Die Oper lebt vom Topos der Liebe – und von deren Konstruktion. Heilige oder Hure, ein anderes Frauenbild sehen die, überwiegend männlichen, Librettisten und Komponisten für das Singtheater nicht vor. Entweder verführen durchtriebene Dirnen unbescholtene Männer, wie etwa Norina in Gaetano Donizettis Don Pasquale: „Ich kenne die Kunst“, singt sie und erzählt von Lächeln, Tändelei und Tränen zum richtigen Zeitpunkt. Oder die treue Ehefrau opfert sich auf und rettet Ehemann, alle Gefangenen, ach was, gleich die ganze Menschheit aus dem Kerker wie Leonore in Ludwig van Beethovens Fidelio.

In welchen Variationen die Grundzüge des Geschlechterkonflikts auf den Opernbühnen der Welt auftreten, darüber sangen und berichteten am Mittwoch im Rahmen des 1. Hamburger Musikerinnenfestivals „espressiva“ die Koloratur-Sopranistin Maria Freuden-thal-Kleina, die Mezzo-Sopranistin Karin Kunde und die Moderatorin Birgit Kiupel. Wohltuend ironisch beleuchteten sie, in welch' trügerische Rollen die Weiber schlüpfen – und wie damit Politik betrieben wurde. Die großen Gefühle bleiben dabei beschränkt: Er liebt sie, sie liebt ihn, darauf folgt Heirat oder Tod und im günstigen Fall die Läuterung.

Opern heutzutage nur schön zu finden, hieße, die gesellschaftliche Relevanz zu unterschätzen. Natürlich sind alle zufrieden, wenn der Graf Almaviva in der Hochzeit des Figaro auf sein Recht der ersten Nacht verzichtet. „Aber wer“, fragte Birgit Kiupel, „inszeniert das Stück schon als knallharte Sozialkritik am Umgang mit alleinstehenden Müttern?“ Da muß schon Fricka kommen und ihren Gatten Wotan in Wagners Walküre lautstark zur Sau machen, damit der kleinlaut beigibt. Aber selbst die matriarchalische Ehegöttin bleibt im patriarchalen Korsett verstrickt. Klar, wo gibt es schon eine Göttin der Rebellion. In der Oper bestimmt nicht. Eberhard Spohd