Siemens: Verkehrstechnik auf Abstellgleis

■ Nach Informationen des Betriebsrats will Siemens sein Werk für Verkehrstechnik in Treptow mit 1.400 Arbeitsplätzen aufgeben. Damit wäre Berlin als Zentrum der Verkehrstechnik abgeschrieben. Konzer

Die Siemens AG, eines der größten Industrieunternehmen der Stadt, überlegt, sein Engagement an der Spree dramatisch zu reduzieren. „Gegenwärtig läuft eine Untersuchung, die Fabrik für Verkehrstechnik im Bezirk Treptow aufzugeben“, sagte gestern Georg Nassauer, Mitglied des Gesamtbetriebsrates. An der Elsenstraße, einem von Siemens übernommenen ehemaligen DDR- Werk, arbeiten derzeit rund 1.400 Leute im internationalen Verkauf von Bahnsystemen sowie in der Herstellung von Sicherheitstechnik für den Schienenverkehr. Würde der Konzern die Betriebsstätte dichtmachen, hätte sich die Senatsvision von Berlin als internationalem Zentrum der Verkehrstechnik endgültig in Luft aufgelöst. Denn auch die Siemens- Konkurrentin Adtranz hat angekündigt, eine Fabrik im Bezirk Pankow zu schließen.

Siemens-Sprecher Eberhard Dombek hielt sich gegenüber der Äußerung des Betriebsrats allerdings bedeckt: „Wir überprüfen sämtliche Standorte, nicht nur Berlin.“ Beschlüsse und Tendenzen der Untersuchung gebe es aber nicht, betonte Dombek: Im Hinblick auf Treptow „stehe überhaupt nichts fest“.

Daß die Lage der Verkehrstechnik des Konzerns und besonders des Berliner Werkes nicht zum Besten bestellt ist, läßt sich freilich an einer Hand abzählen. Im Geschäftsjahr 1997/98 machte der Bereich Bahnverkehr wegen sinkender Preise und der internationalen Wirtschaftskrise einen Verlust von 370 Millionen Mark. Die Fabrik in Treptow arbeitet relativ teuer und hat Auslastungsprobleme. Außerdem hat der Konzern vor kurzem den ehemaligen Leiter der Verkehrstechnik, Wolfram Martinsen, entlassen, der sein Vorstandsbüro erst 1994 von Erlangen nach Berlin verlagert hatte.

Im weltweiten Siemens-Konzern mit seinen 416.000 Beschäftigten ist zudem eine gigantische Umstrukturierung im Gange. 50 von 200 Geschäftsfeldern will der Vorstand unter Heinrich von Pierer auslagern oder verkaufen. Der Gewinn von 2,66 Milliarden Mark im Jahr 1997/98 war den Managern zu gering ausgefallen. Bei den Verkaufsplänen hatte man die defizitäre Verkehrstechnik bislang aber offiziell ausgeklammert.

Von der Umstrukturierung sind in Berlin drei weitere Werke mit zusammen 1.300 Beschäftigten betroffen. Den Bereich Halbleiter wandelt der Konzern in eine börsennotierte Aktiengesellschaft um, die beiden Werke für Relais und Röhren in Siemensstadt will man veräußern. Ob dabei Arbeitsplätze wegfallen werden, ist bislang nicht klar.

Betriebsrat Nassauer warf der Konzernleitung gestern vor, kein „Konzept für den Standort Berlin“ zu haben. Einen Plan für eine einzelne Stadt zu realisieren sei auch „nur sehr schwer möglich“, sagte dazu Siemens-Sprecher Enzio von Kühlmann-Stumm. Angesichts der internationalen Verflechtungen könne es nur ein „Gesamtkonzept für den Konzern“ geben. Hannes Koch