In Tadschikistan wird wieder gekämpft

■ Weil er sich von dem in Moskau geschlossenen Friedensabkommen übergangen fühlt, läßt ein Warlord seine Leute zu den Waffen greifen

Berlin (taz) – Kaum ist der Streit mit der islamischen Opposition entschärft, droht Tadschikistans Präsident Emomali Rahmonow Gefahr von anderer Seite. An der Spitze von 1.000 Bewaffneten hat sich der Warlord Mahmud Chudojberdijew zurückgemeldet. 600 seiner Leute besetzten am Mittwoch morgen die Hauptquartiere von Polizei und Sicherheitsdienst sowie Verwaltungsgebäude im Zentrum der nordtadschikischen Bezirksstadt Chodschent. Weitere Kämpfer stürmten den Flughafen von Tschkalowsk einige Kilometer südlich. Dabei kamen laut Regierung sechs Soldaten ums Leben.

Die Regierung drohte mit einem „schweren Gegenschlag“. Doch Chudojberdijew blieb unbeeindruckt. Gestern attackierten seine Leute das örtliche Quartier der Truppen des Innenministeriums. Der von Rahmonow einberufene Nationale Sicherheitsrat bezeichnete die Lage als „sehr ernst“. Chudojberdijew verlangt die Auflösung der Regierung und die Neuwahl des Präsidenten.

Der 38jährige Warlord, ein ethnischer Usbeke, fühlt sich bei dem 1997 in Moskau geschlossenen Abkommen, das den von 1992 bis 1996 dauernden Bürgerkrieg beendete, übergangen. Laut der Vereinbarung teilen sich die bisherige Regierung und die bewaffnete Vereinigte Tadschikische Opposition (OTO) die Macht. Gruppen, die sich als „dritte Kraft“ betrachten, wurden nicht beachtet. Zu ihnen gehört auch der frühere Ministerpräsident Abdulmalik Abdulladschanow, der nach seiner Absetzung durch Rahmonow bei der letzten Präsidentenwahl erfolglos gegen ihn angetreten war. Anscheinend erhofft sich Chudojberdijew nun in Chodschent, woher Abdulladschanow stammt und sich immer noch auf seine lokale Basis stützen kann, Unterstützung für seinen neuerlichen Vorstoß.

Chudojberdijew hatte sich im Bürgerkrieg auf die Seite Rahmonows geschlagen und entscheidend dazu beigetragen, daß der gegen die aus Islamisten und anderen Gruppen bestehende oppositionelle OTO die Oberhand behalten hatte. Er stieg zum Oberst und Chef eines „Schnellen Eingreif- Bataillons“ auf.

Bald wurde er Rahmonow zu mächtig. Zu einer Gefahr wurde er, als er sich nach dem Moskauer Abkommen dagegen wandte, wie vereinbart einige Schlüsselpositionen in der Regierung an seine früheren islamistischen Gegner abzugeben. Dreimal bereits meuterte er gegen Rahmonow. Beim letzten Mal, im vorigen Sommer, standen seine Panzer nur 25 Kilometer vor der Hauptstadt Duschanbe. Sie konnten nur durch massiven Raketenbeschuß zurückgedrängt werden. Der Oberst setzte sich ab – wahrscheinlich nach Usbekistan, obwohl dessen Regierung das vehement bestritt.

Auch diesmal kursieren Gerüchte, Chudojberdijew werde von Usbekistan unterstützt. Das ist gut möglich, denn auch dessen Präsident, Islam Karimow, beobachtet die Einbindung der Islamisten in die tadschikische Führung mit Mißtrauen. Thomas Ruttig