„Viele lassen sich etwas einflüstern“

■ Hermann Scheer, Umweltexperte der SPD, hält nichts von Ausnahmen: Wer das mache, „denkt nicht konsequent im Konzept der Ökosteuer“

taz: Herr Scheer, was halten Sie von der Debatte um eine Verschiebung der Ökosteuer?

Hermann Scheer: Ich halte nichts vom Verschieben.

Grüne Umweltpolitker fürchten, die Ökosteuer könne mißlingen, wenn man die Ausnahmen nicht sorgfältig regelt.

Wer Ausnahmen macht, denkt nicht konsequent im Konzept der Ökosteuer. Die jetzige Diskussion darüber ist oberflächlich, weil sie Energiepreise mit Energiekosten verwechselt. Nur weil die Energiepreise steigen, müssen das die Energiekosten noch lange nicht.

Können Sie das bitte erklären.

Alles ist auf die Preise fixiert, selbst die OECD veröffentlicht nur Preisvergleiche. Das ist Unsinn: Entscheidend für Betriebe wie für Privatverbraucher sind die Kosten für den gesamten Energieverbrauch, nicht der Preis für die Kilowattstunde Strom oder der Liter Benzin. So sind etwa in den USA zwar die Energiepreise viel niedriger als bei uns, nicht aber die Energiekosten, weil sie keinen Anreiz zum Sparen haben und daher dort viel verschwenderischer mit Strom und Öl umgegangen wird.

Der Mittelstand klagt über Wettbewerbsnachteile, falls er mehr für Strom zahlen muß.

Auch hier gilt: Höhere Energiepreise sollen Investitionen zur Verbesserung der Energieproduktivität auslösen, um den Energieverbrauch und die Kosten zu senken.

Aber wie sollen sie die Investitionen aufbringen?

Das müssen sie heutzutage gar nicht mehr. Da gibt es Firmen, sogenannte Energiecontrolling-Unternehmen, die ihnen das abnehmen. Die kommen in den Betrieb und untersuchen die Einsparmöglichkeiten. Die zahlen dann auch die Energiesparinvestitionen. Zum Ausgleich behalten diese Firmen dafür einen Teil der gesparten Energiekosten ein. Das geht beispielsweise zehn Jahre so, bis dann die neuen Einrichtungen in den Besitz des beratenen Betriebes übergeht. Städte finanzieren so schon länger etwa neue Wärmedämmungen und Heiztechnik in Schulen.

Nun kommen aus Ihrer Partei viele Ausnahmebegehren.

Da lassen sich leider viele etwas von Interessenverbänden einflüstern, melden die Besorgnisse durch, und schon geht der Verwässerungsprozeß los. Da werden so lange Tropfen in den Wein gegossen, bis er am Ende nicht mehr schmeckt. Interview: urb