Nach dem Sturm kommen Seuchen und ein Vulkanausbruch

■ Die Regierungen Zentralamerikas tun sich schwer mit den massiven Zerstörungen des Wirbelsturms „Mitch“

San Salvador (taz) – Nach dem Durchzug des Wirbelsturms „Mitch“, der mittlerweile über Mexiko Richtung Florida abzieht, ist das zentralamerikanische Honduras zu hundert Prozent von Hilfslieferungen aus dem Ausland abhängig. Siebzig Prozent der Straßen des Landes sind von der Landkarte verschwunden.

Rund 7.000 Menschen hat „Mitch“ in Honduras auf dem Gewissen, 12.000 Menschen werden noch vermißt. Katastrophenhelfer berichten, daß sich Überlebende zum Teil seit fünf Tagen an Baumwipfeln oder Hausdächern festklammern, ohne Nahrung und am Ende ihrer Kräfte. 20.000 Menschen in Notlagern sind von Hunger und Seuchen bedroht, vor allem wegen der Verschmutzung des Trinkwassers durch Leichen.

Im Prinzip sind die Grundnahrungsmittel Mais, Reis und Bohnen in allen betroffenen Ländern zur Genüge vorhanden. Die Regierungen verfügen über strategische Reserven, die nun auf den Markt geworfen werden. Das Problem ist, daß das Straßennetz weitgehend zerstört ist, die Hubschrauber der jeweiligen Streitkräfte sind noch immer mit Rettungsaktionen beschäftigt. Nicaraguas Präsident Arnoldo Aleman mußte schon am Dienstag in der Provinzstadt Leon einen Hagel von faulen Eiern und Exkrementen über sich ergehen lassen, weil er die Bevölkerung nicht rechtzeitig vor dem Sturm gewarnt hatte. Am Mittwoch hielt ihm die sandinistische Opposition vor, er sei nicht in der Lage, Hilfsmaßnahmen zu organisieren. Das Parlament solle ihn für „regierungsunfähig“ erklären. Doch das Land, entschuldigte sich Aleman, verfüge gerade mal über sechs Helikopter.

Inzwischen haben die USA fünf und Mexiko sieben weitere Fluggeräte nach Nicaragua geschickt. Für neue Unsicherheit sorgt in Nicaragua der Ausbruch des Vulkans Cerro Negro, der seit Dienstag nachmittag Lava und Gase speit. Das Vulkanologische Institut in Managua hält das für eine Reaktion auf die Regenmassen, die in den vergangenen Tagen über dem Krater niedergingen. Der 600 Meter breite Lavastrom ergießt sich über einen unbewohnten Hang. Auch die politische Vergangenheit Nicaraguas hat „Mitch“ an die Oberfläche gespült. Im Grenzgebiet zu Honduras sollen nach Angaben von Katastrophenhelfern Tausende von Anti-Personen-Minen aus dem Contra-Krieg der 80er Jahre aus dem Boden gewaschen worden sein. Toni Keppeler