Naziterror gegen schwule Männer

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 endeten die Bemühungen demokratischer und linker Parteien in der Weimarer Republik, Homosexualität zu entdiskriminieren. Zu den ersten Zielen von NS-Studenten zählte die Verwüstung des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin. Sogenanntes jüdisches Wissen im „undeutschen Geiste“ sollte vernichtet werden.

1935 fordert die SS-Zeitung Schwarzes Korps die Todesstrafe für Homosexuelle; wenig später wird der Paragraph 175 verändert. Bis dahin war schwuler Sex verboten, nicht jedoch Homosexualität. Der verschärfende Unterschied diente der Einschüchterung: Mußten Strafverfolger bisher ein konkretes Delikt nachweisen, waren nun die Festgenommenen in der Beweispflicht, den Vorwurf der Homosexualität zu entkräften. 1936 wird die geheime Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung gegründet; immer öfter werden Razzien an Orten durchgeführt, an denen das Regime Homosexuelle vermutete – vor allem in den Großstädten. In Hamburg beispielsweise stieg die Zahl der nach Paragraph 175 angezeigten (Denunziations-)Fälle von 359 (1935) auf 1.059 (1936).

Oberflächlich gesehen diente die Verfolgung Homosexueller (und abtreibungswilliger Frauen) der NS-spezifischen Bevölkerungspolitik, die Sexualität aus purer Lust nicht vorgesehen hatte. Tatsächlich diente der Terror gegen Homosexualität einzig dem Projekt eines „deutschen Volkskörpers“ (so die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun). Erwünscht waren soldatische Männer – ritterlich, hart, konsequent; und kameradenhafte Frauen – dem Manne und seinem Lebenskampf ergeben, mütterlich, stark und familienorientiert.

Alles von dieser Norm Abweichende sollte keinen Platz haben im arischen Reich: Männer, die weinen, verzweifeln und nicht immer stark sein können; Frauen, für die Kinder zu haben nicht der einzige Zweck als Erwachsene ist und die dem Mann gleichgestellt sein wollen. Schwule Männer und lesbische Frauen hatten in diesem System keinen Raum, wie der Soziologe Peter von Rönn in seiner Arbeit „Politische und psychiatrische Homosexualitätskonstruktion im NS-Staat“ schreibt. Homosexuelle waren spätestens 1938 nicht mehr nur Objekte des medizinischen Blicks – als Kranke, Verirrte –, sondern der politischen Verfolgung: Sie wurden als lebende Provokationen wider die nationalsozialistische heterosexuelle Männlichkeit erkannt.

Manche Schwule willigten einer Kastration ein, um ihre Verfolger gnädig zu stimmen. Tausende Homosexueller wurden in den KZs unfreiwillig medizinischen Versuchen ausgesetzt; die meisten, die diese Torturen als Männer mit dem rosa Winkel erlitten, starben in den Vernichtungslagern.

Erst seit Mitte der achtziger Jahre erhalten homosexuelle NS-Opfer Wiedergutmachungszahlungen. Die christliberalen Nachkriegsregierungen hielten den NS-Terror gegen Homosexuelle für nicht spezifisch nationalsozialistisch. JaF