Neue Schulwelt

■ Von der Belehrungsanstalt zur Lernwerkstatt

Bremen/Hamburg. Die Schule muß sich in Deutschland von einer Belehrungsanstalt zu einer Lernwerkstatt entwickeln. Das hat der Hamburger Universitätsprofessor Peter Struck in einem Gespräch im Vorfeld eines Referates vor der SPD in Bremen gefordert. Nur so könnten die Schüler „in kürzester Zeit mehr lernen“. Frustrierte Schüler, überalterte Lehrerkollegien, Unterrichtsausfall und Finanzkürzungen im Bildungsbereich kennzeichneten heute den deutschen Schulalltag, sagte der Erziehungswissenschaftler. Derzeit sei die Schule „das teuerste Unternehmen unserer Gesellschaft“.

Für Struck gehört zur „schönen neuen Schulwelt“ unbedingt der Computer. „Computer ermöglichen ein Lernen ohne Strafe, ohne rote Tinte, ohne Noten.“ Untersuchungen von Hirnforschern und Lernpsychologen hätten bewiesen, daß Kinder sehr gut lernen, wenn sie dabei selbst handeln und auch Fehler machen dürfen. Erscheine auf dem Computerbildschirm das englische Wort „Error“ („Fehler“), versuche der Schüler, den Fehler selbst zu finden. „Der Computer straft aber nicht.“ Gemeinsame Projekte mit dem Computer als Arbeitsgerät förderten zudem die Team-Arbeit.

Der Computer entlaste den Lehrer in seiner traditionellen Rolle. Die freiwerdende Zeit könne unter anderem für Gewalt- und Suchtprävention, Bewegungserziehung und Spielpädagogik genutzt werden. Schule müsse sich von der klassischen Rollenverteilung – Familie für Erziehung, Schule für Bildung – verabschieden und erzieherische Funktionen übernehmen, forderte Struck. Es sei nachweisbar, daß „etwa 60 Prozent der Kinder keine angemessene Erziehung von Zuhause“ mitbekommen.

Der Einsatz des Computers müsse aber dosiert erfolgen: „Bis zur fünften Klasse höchstens eine halbe Stunde täglich, danach eine Stunde und ab der zehnten Klasse zwei Stunden pro Tag.“ Als Kompensation für die Bildschirmarbeit sollten die Schüler jeweils die gleiche Zeit für Bewegungsspiele erhalten. „Insgesamt brauchen wir eine bunte Schullandschaft mit verschiedenen Schwerpunktprogrammen und eine freie Wahl der Schule für alle.“

Vor allem das Gefälle zwischen Gymnasium und Hauptschule müsse beseitigt werden. Nach Strucks Vorstellungen soll es eine sechsjährige Grundschule mit vorgeschalteter Vorschule geben. Im Anschluß folgen die Sekundarschulen bis zur 10. Klasse und Gymnasien mit Ausrichtung auf ein späteres Studium. Das Abitur wird nach zwölf statt bisher nach 13 Schuljahren erreicht. Jede Schule müsse autonom werden, ihr eigenes Budget verwalten und Personalentscheidungen selbst treffen können. dpa