Mehr als nur die Vorsilbe für Marilyns Busen

■ Das Atomzeitalter am Beispiel von Deutschlands dienstältestem AKW-Gegner (19.20 Uhr, 3sat)

Als Atomminister Franz Josef Strauß 1956 ein Kernforschungszentrum ankündigt und davon redet, daß man nun des „Dämons des Atoms“ Herr werde, glauben ihm die Bundesbürger. Einer der wenigen, die das nicht tun, ist Förster Wilhelm Knobloch, in dessen Hartwald hinein der erste Forschungsreaktor der Republik gebaut wird.

Es ist eine Zeit des unbekümmerten Glaubens an die Wissenschaft, in der alles, was „groß und unbeschreiblich“ ist, die Vorsilbe „Atom-“ bekommt, wie der Busen von Marilyn Monroe. Aber auch eine Zeit, in der Ingenieure und Physiker versuchen, vom Trauma der Atombombe loszukommen, indem sie die Kernspaltung zähmen. Und von Anfang an versuchen, jedes Risiko zu leugnen.

„Die Zeit-TV“-Reporter Gerold Hofmann zeigt in „Wilhelm Knobloch und das Atomzeitalter“, wie bereits im ersten deutschen Atomreaktor die Strategie der Atomkraftbetreiber festgelegt wird: „Leugnen und verharmlosen“. Und wie Deutschlands „dienstältester Atomkraftgegner“ Knobloch sich einen Geigerzähler kauft und seinen Wald nach Radioaktivität durchforstet – und immer wieder fündig wird.

An seiner Person wird die Geschichte des Forschungsreaktors Karlsruhe beschrieben. Und wo die Fische im nahe gelegenen Bach zeitweise stärker verseucht waren als die deutsche Milch nach dem Niedergang der radioaktiven Wolke von Tschernobyl.

Zwar gelingt Filmemacher Hofmann nicht so recht, die Geschichte seines Protagonisten stimmig in die Weltereignisse einzubetten: Es wirkt bemüht, wenn er Knoblochs Spaziergänge gegen den Atombombenabwurf über Hiroschima schneidet. Doch er erzählt Episoden von den ersten Atomgegnern, die auch heute noch staunen machen: So etwa der Boykott der Bundestagswahl durch das nahe am Forschungsreaktor liegende Dorf Linkenheim. Nur 1,98 Prozent gingen dort 1957 zur Wahl. Matthias Urbach