Ein ganzes Jahr Rot-Grün in Hamburg

■ Das Geld, die Wirtschaft und die Umwelt: Teil I des Koalitions-Checks der taz hamburg

Haushalt

„Die Tendenz zur Zerstörung der öffentlichen Finanzen in Deutschland nimmt immer dramatischere Ausmaße an“ hatten Rot und Grün in ihrer Koalition versprochen. Und deshalb eine Fortsetzung des harten Sparkurses angekündigt. Sie haben Wort gehalten. Sozialhilfeempfänger, StaatsdienerInnen und SchülerInnen baden auch in Hamburg aus, was Waigel und die FDP der Hamburger Haushaltskasse eingebrockt haben. Lafontaine und Schröder, so fürchtet Hamburgs SPD-Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel, werden vom Kampf des Bundes gegen die Länderkassen allenfalls nur ein bißchen ablassen. Deshalb wird es beim Hamburger Sparkurs bleiben, der dank Grün aber immerhin mit den Hochschulen ein wenig pfleglicher umgeht.

Während bei den großen Infrastruktur- und Wirtschaftsförderungsprojekten weiter geklotzt wird, wird es mit der Stadtbahn trotz einer kräftigen Ergebnisverbesserung im öffentlichen Nahverkehr auch in dieser Legislaturperiode nichts. Auch eine wirkliche Haushaltsgesundung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Mit einem Loch von weit über einer Milliarde Mark allein im Betriebshaushalt (hinzu kommen jeweils knapp zwei Milliarden Neuschulden für Investitionen) steigt Hamburgs Schuldengebirge von Jahr zu Jahr weiter an.

Ein genialer Trick wird diese Gipfelstürmerei allerdings zu einem Teil vor den Augen der BürgerInnen verbergen: Durch den Verkauf von Grundstücken und Immobilien an staatseigene Firmen werden allein 1998 und 1998 1,7 Milliarden Mark Kredite nicht im Stadthaushalt sondern nur in den Bilanzen der Immobilien-Stadttöchter ausgewiesen. Haften werden Hamburgs SteuerzahlerInnen freilich auch für diese sogenannten Schattenhaushalte, an denen die Banken kräftig verdienen. fm

Wirtschaft

Versöhnung von Ökonomie und Ökologie? Quartiersbezogene Wirtschaftsförderung? Die Vernetzung von Ausbildung und Wirtschaftsförderung? Wer klammheimlich auf derartige revolutionäre wirtschaftspolitische Konzepte gehofft hatte, wurde mit der vollmundig versprochenen „innovativen Wirtschaftspolitik“ in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung bestens bedient. Den wegweisenden Worten des rot-grünen Papiertigers folgte allerdings die übliche Praxis: Hamburgs neuer und überaus mächtiger SPD-Wirtschaftssenator Thomas Mirow modernisierte zwar die Konzeption seiner Behörde, exekutierte mit überwiegend konventionell ausgerichteten „Leitprojekten“ aber vor allem Dohnanys Standortpolitik. High-Tech, Bio-Tech, Medien, Airbus, Flughafen, Hafenerweiterung und Elbvertiefung lautet der weltmarktorientierte Katechismus des smarten Stadtchefs im Wartestand.

Neu ist allerdings, daß er die unverändert kläglich ausgestatteten wirklich innovativen Projekte entscheidend mitbestimmt und in allen ökonomisch bedeutsamen Fragen der Stadtentwicklung das letzte Wort hat. Rot-Grün bietet keine neue Wirtschaftspolitik, sondern Wolfgang Clements Hombach-Kurs in hanseatischem Gewand. fm

Hafen und Elbe

Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) ist auch in dieser Legislaturperiode einer, der erfolgreich und zielstrebig regiert. Den Konflikt um die Elbvertiefung und die dadurch bedrohten Fanggebiete der Elbfischer regelte er im Frühjahr in gewohnt kulanter Manier: Satte sieben Millionen Mark Abfindung bescherte er den Elbfischern, die daraufhin bereitwillig ihre Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht zurücknahmen.

Auch die anderen Großprojekte schreiten voran. Der Riesenbohrer „Trude“ stand zwar zeitweilig still, doch wächst die vierte Elbtunnelröhre dennoch. Altenwerder ist dem Hafen geopfert. Das Vogelrastgebiet Mühlenberger Loch wird zugekippt gegen den Willen des Koalitionspartners, dafür aber in der vagen Hoffnung, den Dasa-Riesenairbus A 3XX hier in Finkenwerder einmal endmontieren zu dürfen.

Die angestrebten Kooperationen und der Abbau des Subventionswettlaufs zwischen den Häfen der Nord-Range dagegen scheiterten. Eine geplante Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Bremen wurde abgebrochen, als Teile der bis dahin vertraulichen Gespräche im Januar an die Öffentlichkeit gelangten. Statt dessen schlossen sich die bisherigen Konkurrenten, die stadteigene Bremer Lagerhaus-Gesellschaft und das zweitgrößte Hamburger Containerumschlagsunternehmen, die privatwirtschaftliche Firma Eurokai, im Containergeschäft zusammen. hh

Flächen und Wohnungsbau

Als dpa kürzlich versehentlich den grünen Hamburger Stadtentwicklungssenator Willfried Maier zum „Senator Willfried Maier (SPD)“ machte, konnten viele GALier so gar nicht darüber lachen. Denn die Verwechslung, der Grüne Maier sei eigentlich ein Sozialdemokrat, ist nicht ganz abwegig. Nicht nur, daß er in seiner bedächtigen, nachdenklichen Art seinem Vorgänger Thomas Mirow (SPD, wirklich!), der inzwischen Wirtschaftssenator ist, ähnelt.

Auch die programmatischen Inhalte der beiden gleichen sich, daß so mancher Parteifreund Maiers sich fragt, wo die grünen Akzente seiner Politik bleiben. Weil Maier sich aber weder als Macher noch als Gestalter versteht, sondern als „Mittler zwischen widerstreitenden Interessen“, gibt es bei der Stadtentwicklung zwangsläufig wenig Unterschiede zum Althergebrachten. Die Problematik des Büroleerstands ist ebenso wenig gelöst wie die zahlreichen sozialen Konflikte in den benachteiligten Stadtteilen.

Dort immerhin hat Maier sogenannte „Quartiersgespräche“ eingeführt; ein klug durchdachtes Konzept, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und im direkten Dialog Konflikte zu lösen.

Den umstrittenen Oberbaudirektor Egbert Kossak wurde Maier auf sehr diplomatische Weise los, auch das dürfte seine Basis ihm hoch anrechnen.

Unbeliebt dagegen machte sich Maier mit dem Versuch, die Bezirke von der Planung von konfliktträchtigen Großprojekten auszuschließen sowie die gesamte Entwicklung der Innenstadt zur Chefsache zu machen, Bezirksverwaltungsreform hin oder her. Bis heute ist die umstrittene Drucksache noch nicht vom Senat abgesegnet, ebensowenig wie über die Deichrückverlegung in Wilhelmsburg (trotz Mediationsverfahrens) abschließend entschieden ist.

Auf sich warten läßt auch das Gesetz über die geplante Abschöpfung von Bodenwertgewinnen, die besonders bei dem Verkauf der Grundstücke in der künftigen Hafen-City der Stadt große Gewinne bescheren dürften. Erste Skizzen für die Hafen-City immerhin sind mit der Beauftragung eines „Master-Plans“ in die Wege geleitet. hh

Verkehr

Die Stadtbahnplanung kommt nicht voran, die Veloroutendebatte verläuft zäh, Hamburgs HVV muß seine Sparerfolge bei der Stadtkasse abliefern, das Verkehrsentwicklungskonzept der Baubehörde ist trotz mehrjähriger Warteschleifen noch immer nicht verabschiedet – Stillstand im Verkehr. Von den vielen löblichen Detailpunkten der Koalitionsvereinbarung ist bis auf Fortschritte bei der Veloroutenplanung nichts geschehen. Der Autoverkehr nimmt weiter zu, die Fahrpreise beim HVV steigen und Hamburgs RadlerInnen finden unverändert miese Rahmenbedingungen vor.

Dafür wird kräftig an der nutzlosen vierten Elbtunnelröhre gebaut und unverdrossen für den Transrapid geplant. Auf Hochtouren läuft auch die Planung für den Ausbau des ZOB, der damit nicht nur die einmalige Chance auf einen Central Park südöstlich des Hauptbahnhofs verbaut sondern auch wieder nicht direkt an die Hauptverkehrsströme im Hauptbahnhof angedockt wird.

Also nur Tristesse und Stillstand? Aber nein. Eines hat sich grundlegend geändert: Während der grüne Verkehrspolitiker Martin Schmidt in Oppositionszeiten fleißig kleine Anfragen schrieb, kann er sich diesen Arbeitsgang nun sparen. Regelmäßig trifft Schmidt sich mit dem neuen Koalitionspartner und Verkehrssenator Eugen Wagner zum Plausch. Gesprächskultur statt Verkehrswende? fm

Atomausstieg

„Hamburg hält am Ausstieg aus der Kernenergie/Atomenergie fest.“ So steht es im rot-grünen Koalitionsvertrag, und da steht es gut. Die Sozialdemokraten haben durchgesetzt, daß der Strom aus Siedewasser- und sonstigen Reaktoren „Kern“-Energie heißt, und die GAL hat erreicht, daß gleichberechtigt das in bürgerlichen Kreisen verpönte Wörtchen „Atom“ sich sogar im Regierungsvertrag einer bundesdeutschen Landesregierung wiederfindet. Was sollte auf diesen revolutionären Schritt der Diplomatie noch folgen? Eben.

Und so sind alle vier Atommeiler rund um die Hansestadt ein Jahr nach dem Hamburger Regierungswechsel weiterhin am Netz. Trotz Atommüll-Transport-Skandalen und trotz böser Worte des grünen Umweltsenators Alexander Porschke. Der wetterte unermüdlich gegen die Hamburgischen Electricitätswerke, um statt der gewünschten Informationen zu Castortransporten und Strom-Kostenberechnungen stets nur ein müdes Lächeln zu ernten.

Bei dem im Vertrag festgeschriebenen „Bemühen“ um die Kündigung des AKW Brunsbüttel „im Jahr 1999 mit Wirkung zum Jahr 2002“ dürfte es deswegen bleiben. Vom Einstieg in den Ausstieg ist bislang wenig zu spüren, und alle Hoffnung richtet sich nun auf die Ankündigung aus Bonn, das Bundesatomgesetz zu ändern. hh