„Hast Du eine Freundin?“

■ Was tun, wenn der Ehemann plötzlich sein Coming-out hat? Eine betroffene Frau will Selbsthilfegruppe für Frauen mit homosexuellen Ehepartnern gründen

Es kam heraus bei einem gemeinsamen Spaziergang am zweiten Weihnachtstag vor einem Jahr. Da hatt sie das erste Mal gespürt, daß „sich irgendwas verändert hatte“. Aber erst vor sieben Monaten wagte Beate Bartels (Name geändert) die Frage: „Was ist los, hast Du eine Freundin?“ Ihr Ehemann antwortete: „Nein – im Gegenteil.“ Seitdem weiß die 50jährige, daß ihr Mann jetzt Männer liebt.

Die ersten zwei Tage wollte die Hausfrau und Mutter „nur ihre Ruhe haben“. Da war alles „vernebelt im Kopf“, erinnert sich Beate Bartels. „Wie besoffen“ sei sie gewesen. „Und viel geweint habe ich auch.“ Schließlich war das Ganze erstmal „wie ein Schock. Ich hatte gar nichts gemerkt. Dabei hat mein Mann mir erzählt, daß er schon zehn Jahre dagegen angekämpft hat“, erinnert sie sich. „Aber so ist das eben, wenn man 30 Jahre zusammenlebt. Da kriegt man vielleicht einiges nicht so mit.“

Eine „ganz normale Ehe“ hätten beide geführt. Viel geredet über alles Mögliche – auch mit den beiden Kindern, die 23 und 24 Jahre alt sind. „Schmeiß den Kerl doch raus“, hatte ihr Sohn in den schlimmen Tagen zu ihr gesagt – als sie zu Hause saß und weinte. Aber das will Beate Bartels nicht: „Ich liebe meinen Mann jetzt mehr als vorher“, sagt sie. „Wir wollen zusammenbleiben. Wir bauen jetzt eben ein ganz anderes Leben auf.“

Doch ganz allein, ohne Hilfe, ist das kaum möglich, meint die 50jährige – und will jetzt eine Selbsthilfegruppe für Frauen homosexueller Ehepartner gründen. Denn während sich in Bremen schon vor Jahren eine Gruppe für schwule Ehemänner zusammenfand (siehe Interview), tun sich deren Frauen offenbar schwer. „Sie haben Angst, daß jemand davon erfährt“, erklärt Christa Niemeyer vom Bremer Netzwerk, das Selbsthilfegruppen organisatorisch unterstützt. „Homosexualität ist offenbar immer noch ein Tabuthema.“ Das empfindet auch Beate Bartels so: „Wenn ich mit jemandem rede, muß er hundertprozentig dicht halten können“, sagt die Frau, die auf dem Land wohnt. Und für die es ein Horror wäre, wenn plötzlich die Nachbarn von dem, „was mit meinem Mann los ist“, erfahren würden. Sie will in einer intimen Gruppe andere Frauen zum „Reden ermutigen, weil das ganz viel hilft. Einfach nur sabbeln, sabbeln, sabbeln kann man dann und loswerden, was einem im Kopf herumgeht.“

Und das ist viel. Gar nicht mal, daß sie sich plötzlich als Frau minderwertig fühlt. Oder daß sie auf ihren Mann böse ist. Das mit den Männer sei „eben so. Da hat er keine Schuld dran. Das wäre so, wenn ich plötzlich lesbisch werde und sich im Kopf etwas verdreht. Da kann man eben nichts machen.“ Aber das ist ja gerade die Ausweglosigkeit: „Wenn er eine Freundin hätte, hätte ich ja noch kämpfen können. Aber so habe ich keine Chance – gegen einen Mann.“

Auf sich selbst besinnen will sie sich deshalb. Vor kurzem hat sie wieder angefangen, Trockenblumen anzufertigen, um sie zu Hause zu verkaufen. „Ich bin jetzt wichtig, nur ich“, sagt die Frau, die mittlerweile auch eine Therapie angefangen hat. Natürlich will sie sich weiter intensiv mit ihrem Mann über die neue Situation austauschen. „Aber die Männer haben erstmal viel mit ihrem Coming out zu tun“, weiß Christa Niemeyer vom Netzwerk-Selbsthilfe. Und sie gehen andere Wege – aber darüber will die betroffene Beate Bartels nicht reden. Vor allem nicht darüber, ob ihr Mann jetzt andere Verabredungen hat. Und ob er noch mit ihr schläft. „Dazu möchte ich nichts sagen“, meint sie, „das ist mir zu intim.“

Lieber will sie in die Zukunft sehen, „in der ich bald mal wieder auch nur eine Nacht durchschlafen kann“, sagt sie. Und in der sie es schafft, „mir selbst wieder am wichtigsten zu sein.“ Eigentlich will sie nur „in Frieden leben“ und „das Neue“ bewältigen. „Ich hoffe, daß wir das schaffen.“ K. Ubben

Wer sich an der Selbsthilfegruppe für Frauen homosexueller (Ehe-) Partner beteiligen will, kann sich an Christa Niemeyer beim Netzwerk-Selbsthilfe, Rembertistr. 93, wenden unter Tel.: 49 88 634.