Stahlkocher ohne Nachtkoch?

■ Richter muß über Kantinen-Öffnungszeiten entscheiden

Wenn die Nachtschicht vom Stahlwerke-Hochhofen Hunger kriegt, ist Organisationstalent gefragt. Ein Kollege muß abgeordnet werden zum Einkaufen. Die anderen müssen ihm ihre Bestellung mit auf den Weg geben. Sodann setzt sich der Abgesandte ins Auto, fährt zum Warmwalzwerk auf dem weitläufigen Gelände und macht die Besorgungen. Dann geht es zurück auf den zwei Kilometer langen Weg. Nach durchschnittlich 15 bis 20 Minuten gibt's dann am Hochofen eine warme Mahlzeit. Für die Nachtschicht ist das sozusagen das Mittagessen.

So umständlich – und damit kostenträchtig – kann Essen sein, wenn die Betriebsleitung ebenfalls aus Kostengründen beschließt, die Öffnungszeiten der Kantinen einzelner Werksteile zu beschneiden. Das ist angesichts der Krise des vergangenen Jahres noch nachvollziehbar. Jetzt droht aber der vollständige Verlust der Nacht-Öffnung – offenbar auch im Warmwalzwerk.

Gab es früher eine Zentralkantine im Verwaltungsgebäude und vier Anlaufstellen, die genauso wie die Stahlkocher rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche geöffnet hatten (der sogenannte Konti-Betrieb), so wurde dies jetzt auf eine Kantine beschränkt. Die anderen Freßtempel auf dem Werksgelände haben nachts geschlossen.

Daß das die Malocher ärgert, liegt auf der Hand. Sie heizten dem Betriebsrat ein, bis der die Arbeitgeberseite an den Verhandlungstisch bemühte. Dort kam allerdings kein Kompromiß zustande. Statt dessen gehen die Positionen jetzt weiter auseinander denn je.

Die Stahlkocher fordern Konti-Betrieb für alle Kantinen bis auf die im Altwerk und im Verwaltungsgebäude. Die Arbeitgeberseite, die übrigens nicht „Konti“ arbeitet, will einheitliche, aber eingeschränkte Öffnungszeiten für alle Kantinen durchdrücken. Damit würde auch die letzte Anlaufstelle im Warmwalzwerk wegfallen. Fazit: Die Verhandlungen um das leibliche Wohl der Arbeiter sind festgefahren. Jetzt muß tatsächlich eine Einigungsstelle über den Kantinenkrieg entscheiden. Ein erster Verhandlungstermin findet Ende dieses Monates statt. Als Unparteiischer wird meistens ein Arbeitsrichter aus dem ohnehin völlig überlasteten Arbeitsgericht Bremen hinzugezogen, der im schlimmsten Fall eine Entscheidungsstimme hat. Ob der Streit in einem Hungerstreik endet oder dann nach Betriebsverfassungsgesetz in einem richtigen Prozeß vor dem Arbeitsgericht, war nicht in Erfahrung zu bringen. Jeti