Der sportliche Freigänger

Dopingsünder Djamel Bouras darf beim Judo-Europacup für Paris starten, verliert jedoch Kämpfe und Pokal  ■ Aus Abensberg Oliver Kauer-Berk

Allein und mit finsterem Blick, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, kam Djamel Bouras ins Hotel zurück. Seine Mannschaftskollegen folgten in Grüppchen. Bouras' Klub, Paris St. Germain, hatte soeben im bayerischen Städtchen Abensberg das Finale der Judo- Europapokal-Endrunde gegen Kenjamu Haarlem Amsterdam verloren. Olympiasieger Bouras unterlag dem Niederländer Maarten Arens, und das im entscheidenden Einzelkampf. Der erfolgsverwöhnte TSV Abensberg mußte sich nach zwei Titeln in Folge diesmal mit Platz drei begnügen. Im kleinen Finale siegte der TSV gegen den MTV Ingolstadt mit 5:1.

Das ist der sportliche Handlungsstrang, doch Bouras sorgte nicht nur auf der Matte für Aufsehen. Im Oktober 1997 erwies sich kurz vor der WM in Paris die bei einer Trainingskontrolle genommene Urinprobe von Bouras als positiv: Anabole Steroide. 13 Monate später steht er wieder auf der Matte, obgleich die Internationale Judo Federation (IJF) ihn für zwei Jahre suspendiert hatte. Auf Antrag der Franzosen hob der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne die Sperre vor einer Woche vorläufig auf. Begründung: Die IJF habe einen Verfahrensfehler begangen, Bouras zunächst nur auf unbestimmte Zeit suspendiert, was unzulässig sei. Erst im Oktober diesen Jahres sperrte die IJF Bouras bis zum 2. Oktober 1999.

Am Dopingvorwurf selbst sei nicht zu rütteln, teilte das deutsche IOC-Mitglied Thomas Bach Verantwortlichen des Deutschen Judo-Bundes (DJB) mit. Man habe aber nach den Regeln der Sportgerichtsbarkeit nicht anders handeln können, als Bouras' Sperre vorläufig aufzuheben, so Bach nach Aussage von DJB-Funktionären. Die IJF muß jetzt bis Jahresende den Fall aufarbeiten. Dann soll neu über die Sperre entschieden werden. Bis dahin ist Bouras sportlicher Freigänger.

In Frankreich, wo Judo ein sehr populärer Sport ist, war Bouras nach seinem Olympiasieg ein Star. Jetzt ist die öffentliche Meinung geteilt. Von der nordafrikanischen Minderheit wird der 27 Jahre alte Halbmittelgewichtler algerischer Abstammung weiterhin verehrt. In der Popularität rangiert er gleich hinter Fußball-Weltmeister Zinedine Zidane. Bouras ist einer von ihnen, stammt aus einer armen Lyoner Vorstadtsiedlung. Seine olympische Goldmedaille widmete der gläubige Moslem „allen armen Glaubensbrüdern auf dieser Welt.“ Vom internationalen Judo- Fachpublikum aber wurde Bouras nie geliebt. Sein Kampfstil ist effektiv, aber unattraktiv. Er gewinnt durch physische Überlegenheit, zwingt anderen Passivitätsstrafen auf. Ansehnlich ist diese Maloche nicht.

Im Judo werden eher brillante Techniker verehrt, wie zum Beispiel Udo Quellmalz. Der erfolgreichste deutsche Judoka aller Zeiten stand bei der Europapokal- Endrunde letztmals als aktiver Kämpfer für den MTV Ingolstadt auf der Matte. Der 31jährige Olympiasieger von 1996 und zweifache Weltmeister hat das Nationaltrainer-Amt in Großbritannien übernommen und wurde in Abensberg verabschiedet. Stehende Ovationen für einen, der mit einzigartigen Techniken begeisterte. Quellmalz wurde geliebt, weil er das Gegenteil von Bouras ist.

Stand Bouras in Abensberg auf der Matte, war er einem gellenden Pfeifkonzert ausgesetzt, vor allem im Halbfinale gegen den TSV Abensberg. Zwar gewann Paris 4:3, aber glücklicherweise hatte Bouras gegen seinen Dauerrivalen, den Österreicher Patrick Reiter, knapp verloren. Glücklicherweisen, weil das die Abensberger Fans nicht völlig ausrasten ließ. „Ich hätte nicht erwartet, daß ich so angefeindet werde“, sagte Bouras hinterher, „in anderen Ländern wäre das sicher anders gewesen.“ Was erwartet er? Wer nachgewiesen gedopt war, zu zwei Jahren Sperre verurteilt wurde und trotzdem starten darf, kann nicht mit Wohlwollen rechnen. Auch die Pariser Fans hielten sich mit ihren Anfeuerungsrufen merklich zurück, und die Teamkollegen distanzieren sich zum Teil. „Djamel hat seine eigene Wahrheit“, sagen sie. Stellvertretend hatte die französische Weltmeisterin Marie- Claire Restoux der Sportzeitung L'Équipe vor einiger Zeit gesagt: „In Schokolade stecken keine Steroide, wir können Djamel nicht verteidigen.“