Es ist doch jedes Jahr das gleiche in München

■ Beim 3:1 über 1860 demonstriert Bayern der Stadt und Liga unaufgeregt seine Überlegenheit

München (taz) – Es war Christian Ude sichtlich unangenehm, die braune Papiertüte mit dem Emblem des FC Bayern München im Olympiastadion herumzuschleppen. Als ob der Münchner Oberbürgermeister vor dem 188. Münchner Derby im Bayern-Fanshop eingekauft hätte. Dabei hatte 1860-Fan Ude die beiden Bayern- Trikots von Franz Beckenbauer geschenkt bekommen. Der Bayern-Präsident hatte erfahren, daß Ude in seiner Familie ein Problem hat: Seine zwei Enkelkinder sind Bayern-Fans.

Ein Münchner Problemfall, sollte man meinen. In diesem Jahr jedoch war die Frage, Bayern oder Sechzig, sogar von bundesweitem Interesse, weil der Erste der Bundesliga gegen den Zweiten spielte. München, das Zentrum des deutschen Fußballsports? Hoffentlich nicht, zieht man die trostlose erste Stunde beim 3:1 des Tabellenführers FC Bayern über den TSV 1860 München in Betracht.

Mario Basler entschuldigte das anfängliche Trauerspiel mit der Partie vom Mittwoch: „Wir haben in der ersten Halbzeit die Müdigkeit aus den Beinen gelaufen.“ Co- Trainer Peter Pacult, der den gesperrten 1860-Cheftrainer Werner Lorant an der Seitenlinie vertrat, beschwerte sich sogar: „Der FC Bayern hat uns eingelullt.“ Erst nach 60 Minuten zogen die Bayern an, und Manager Uli Hoeneß zeigte sich beeindruckt: „Als unsere Mannschaft Gas gab, war von 1860 nichts mehr zu sehen.“

Als Erster wachte ausgerechnet Jens Jeremies auf, der in der vergangenen Saison noch bei 1860 kickte. „Eine Willensleistung“, befand Hitzfeld und lobte den Spurt seines Mittelfeldspielers über 80 Meter und Kopfball zum 1:0 (60.): „Ein sensationelles Tor.“ Jeremies äußerte sich weniger euphorisch: „Eine gute Flanke von Strunz, ich konnte den Kopf nicht mehr wegziehen.“ Daß er dieses Tor gegen seinen vormaligen Klub schoß, sei „Pech für 1860, aber nichts Besonderes“. Dabei hatte sein Mannschaftskollege Alexander Zickler vor der Partie in der Kabine festgestellt: „Der Jerry war sehr nervös.“ Als Jeremies nach 75 Minuten mit einer Rißwunde am linken Fuß ausschied, war ihm der Applaus der Bayern-Fans und das Hitzfeld- sche Prädikat vom „besten Spieler auf dem Platz“ sicher.

Zu den Gewinnern zählte auch Zickler, der wie in Barcelona überraschend startete und wie in Barcelona traf. Diesmal zum 2:0 mit einem satten Schuß aus 18 Metern (65.). „Es wäre schön, wenn es so weitergeht“, sagte Zickler, der zu Saisonbeginn wegen Rückenproblemen aussetzen mußte. Der Stürmer ließ sich von den Verpflichtungen von Daei und Salihamidzic nicht bange machen. „Das ist doch jedes Jahr das gleiche bei Bayern.“ Und wie in jedem Jahr hofft Ewigtalent Zickler (24), nun den Durchbruch zu schaffen.

Was 1860 betrifft, so attestierte Löwenchef Karl-Heinz Wildmoser seiner Elf die „schlechteste Leistung dieser Saison“. Auch Werner Lorant, der wegen seiner Schiedsrichterbeleidigung in Leverkusen vom DFB gesperrt war, mißfielen die lahmen Löwen: „Das hat mit Bundesliga-Fußball und dem Platz, auf dem wir jetzt stehen, nichts zu tun.“ Daß der Trainer ausgerechnet im Derby fehlte, fand Wildmoser gar nicht so schlimm: „Da muß man doch keinen mehr motivieren.“

Neben dem 5:2-Sieg des Gespanns Winkler/Geenen über Matthäus/Hoeneß beim Torwandschießen im aktuellen sport-studio des ZDF verbuchte der TSV 1860 immerhin einen weiteren Erfolg am Rande. Wildmoser nötigte seinen Amtskollegen Beckenbauer während des Spiels zu einer Unterschrift auf einem 1860-Mitgliedsantrag. Der Bayern-Boß ist nun Löwen-Mitglied Nr. 20.000. Wildmoser hatte sich nach dem 1:3 über „zuwenig Führungspersönlichkeiten in der Mannschaft“ beklagt. Nun hat er wenigstens eine mehr im Verein. Benedikt Voigt

Bayern München: Kahn – Matthäus (83. Helmer) – Kuffour, Linke – Strunz, Jeremies (75. Fink), Effenberg, Lizarazu – Basler, Elber, Zickler (75. Salihamidzic)

1860 München: Hofmann – Vanenburg – Greilich, Kientz – Cerny, Stevic, Ouakili (61. Dinzey), Zelic (72. Borimirow), Tyce (46. Heldt) – Schroth, Winkler

Zuschauer: 69.000 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Jeremies (60.), 2:0 Zickler (64.), 3:0 Linke (87.), 3:1 Kientz (90.)