■ Die Anderen
: Bremer "Kurier am Sonntag", Berliner "Tagesspiegel", "Lübecker Nachrichten" und "Bild am Sonntag" zum CDU-Parteitag

Über den CDU-Parteitag schreibt der Bremer „Kurier am Sonntag“: Ob tatsächlich der nach der verlorenen Wahl dringend erforderliche Neuanfang in die Wege geleitet wurde, wird erst die Zukunft zeigen ... Die neue Führungsspitze einschließlich der Stellvertreter stammt fast komplett aus dem System Kohl, das eben auch für die Niederlage am 27. September verantwortlich war. Unverbrauchte Gesichter, sieht man einmal von der neuen Vizevorsitzenden Annette Schavan ab, hat die neue CDU-Leitung nicht zu bieten. Die Partei steckt in dem Dilemma, daß die meisten ihrer Prominenten zur alten, abgehalfterten Garde zählen, daß andererseits von einem fähigen Nachwuchs wenig bis nichts zu merken ist.

Der Berliner „Tagesspiegel“ kommentiert dagegen: Er (Wolfgang Schäuble) hat erstens gesagt, was gesagt werden mußte: Daß trotzdem nicht alles verloren ist; daß die, die diesmal gewonnen haben, auch keine Superhelden sind; daß die CDU jetzt nicht von oben nach unten gekrempelt wird, sondern alte Werte und alte Orientierungen erst einmal weitergelten. Das ist Balsam für blutende Seelen. Schäuble hat zweitens einen intelligenten, tiefsinnigen Vortrag gehalten über die Grundzüge einer Gesellschaftspolitik aus christdemokratischer Sicht; ein Vortrag, der jeder Evangelischen Akademie zur Ehre gereicht hätte. Nur eins hat er seiner Partei nicht gesagt: Wie sie wieder herauskommt aus dem 30-Prozent-Loch.

Auch die „Lübecker Nachrichten“ widmen sich der Parteitagsrede des neuen CDU-Vorsitzenden: Schäuble erhielt den meisten Beifall bei seinen scharfen Attacken gegen Rot-Grün. Da schlug der Polarisierer zu – und die CDU jubelte. Doch die politische Achse hat sich verschoben. Die SPD besetzt die – wie immer geartete – neue Mitte. Und da bleibt fraglich, ob es einem Polarisierer wie Schäuble gelingen kann, diese Mitte zurückzugewinnen. Er scheint zu ahnen, daß die Union mehr bieten muß als neue Köpfe, um attraktiv zu werden. Die Union braucht dringend ein neues Profil: Wenige, unverwechselbare Werte, die Antworten geben auf die moderne Gesellschaft des nächsten Jahrtausends.

„Bild am Sonntag“ orakelt: Die CDU hat eine neue Führung, aber hat sie auch eine Richtung? Wohin will sie? Ein bißchen liberaler oder konservativer, sozialer oder marktwirtschaftlicher? Schwarz-Grün und sich gleichzeitig öffnen für alte SED-Mitglieder? Auch nach dem Parteitag ist alles offen. Auf die entscheidende Zukunftsfrage hat die CDU ohnehin keinen Einfluß: Steht ihr die FDP künftig noch als Koalitionspartner zur Verfügung? Die FDP wird sich der SPD als Alternative zu den Grünen anbieten. Sie ist die geborene Regierungspartei, taugt wenig zur Opposition. Kommt es im Lauf der Legislaturperiode zu einer sozialliberalen Koalition, dann muß sich auch die CDU auf 16 Jahre Opposition einrichten.