US-Reste für Russentisch

■ USA und Rußland einigen sich über umstrittene Lebensmittellieferung und Kredit

Moskau (taz) – Am Freitag endete ein zweiwöchiges Pokerspiel zwischen der russischen Regierung und hohen Beamten des US-Landwirtschaftsministeriums um amerikanische Lebensmittelhilfe an Rußland. Wie der russische Vize- Premierminister Gennadi Kulik verkündete, werden die USA Rußland 1,5 Millionen Tonnen Nahrungsmittelweizen und 100.000 Tonnen anderer Lebensmittel liefern. Außerdem wird die russische Regierung einen 600-Millionen- Dollar-Kredit zu äußerst günstigen Bedingungen erhalten, um Lebensmittel in den Vereinigten Staaten einzukaufen.

Die US-Seite hatte ursprünglich darauf bestanden, daß alle Mittel aus dem Verkauf der Hilfsgüter in den staatlichen russischen Pensionsfonds geleitet werden müßten. Angeblich sollte dadurch eine größtmögliche Transparenz dieser Ausgaben erreicht werden.

Einige russische Zeitungen argwöhnten allerdings: Die Amerikaner wollen bloß nicht, daß diese Mittel der russischen Landwirtschaft als ihrem potentiellen Konkurrenten zugute kommen. So hatte die Nowje Iswestija getitelt : „Wir ernähren den Westen, indem wir seine überflüssigen Lebensmittel abnehmen“.

Kulik versuchte am Freitag seine vaterländischen Nahrungsmittelproduzenten zu beruhigen. In mehreren, leicht widersprüchlichen, Erklärungen versprach er, das Geld werde für den Pensionsfonds verwendet, aber auch für den Wiederaufbau der einheimischen Nahrungsmittelerzeugung – besonders für die Entwicklung der Geflügelzucht, der Futtermittelindustrie und der Getreideverarbeitung. „Im Ganzen geht der Effekt weit über die momentane Hilfe hinaus“, so der Vizepremier Kulik.

Noch am gleichen Tag fiel Kulik eine Schnupperdelegation der Europäischen Union mit der von den US-Fingerabdrücken noch warmen Tür ins Haus – auch die EU würde Rußland gern Lebensmittelhilfe leisten. Die europäischen Landwirte leiden, ebenso wie die US-Farmer, unter den Folgen von Überproduktion und einer Absatzkrise. Wer da mit seiner Hilfe zuerst kommt, kann sein überflüssiges Mehl auch zuerst in russischen Mühlen mahlen. Barbara Kerneck