Schluß mit lustig: Rot-Grün knirscht wegen Ökosteuer

■ SPD und Grüne streiten, wann die Energiesteuer eingeführt werden soll und wer sich vor ihr drücken darf. Lafontaine will Lohnnebenkosten ab Januar senken

Berlin (taz) – Zwischen den Bündnisgrünen und dem SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine werden Inhalte und Zeitplan der geplanten Ökosteuer zur Belastungsprobe. Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnisgrüne) erklärte gestern gegenüber der taz, er bleibe dabei, die Einführung der ersten Stufe der Ökosteuer und die vorgesehene Absenkung der Lohnnebenkosten parallel durchführen zu wollen: „Entweder kommt beides zum 1. Januar oder zum 1. April kommenden Jahres.“

Die Fraktionen von SPD und Grünen wollen heute darüber eine Einigung erzielen. Die Fraktionssprecherin der Grünen, Kerstin Müller, drohte unterdessen, den für Krisensituationen eingerichteten Koalitionsschuß einzuberufen. Es sei notfalls besser, den Gesetzentwurf zur Steuerreform zu verschieben, als „eine schlechte Lösung übers Knie zu brechen“.

Bundesfinanzminister Lafontaine hatte sich am Freitag zusammen mit SPD-Arbeitsminister Walter Riester darauf geeinigt, den Beitragssatz für die Rentenkasse schon zum 1. Januar 1999 um 0,8 Prozent auf 19,5 Prozent zu senken. Die erste Stufe der ökologischen Steuerreform, mit deren Einnahmen diese Senkung finanziert werden soll, wird allerdings nach den bisherigen Plänen erst zum 1. April 1999 in Kraft treten.

Aus grünen Fraktionskreisen hieß es dazu gestern, man sei von dem Vorstoß Lafontaines „kalt erwischt“ worden. Besonders umstritten ist die Finanzierungslücke zwischen dem 1. Januar 1999 und der erst vier Monate später eintretenden ersten Stufe der Ökosteuer. Um den von Lafontaines Finanzministerium vorgelegten Entwurf für eine Ökosteuer zu beraten, traf sich gestern nachmittag unter anderem der bündnisgrüne Fraktionschef Rezzo Schlauch in Bonn mit den finanz- und steuerpolitischen Fachleuten der Fraktion, Reinhard Loske, Christine Scheel und Kristin Heyne.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Heyne, und der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Loske, hatten bereits am Samstag den Lafontaine-Entwurf kritisiert: „Das Gesetz ist in seiner jetzt vorliegenden Fassung ökologisch, ökonomisch und sozial nicht akzeptabel“, lautet es in einer gemeinsamen Erklärung. Zwar sei es wünschenswert, die Rentenbeiträge schon am 1. Januar zu senken. „Eine Haushaltsfinanzierung bis April 1999“, heißt es diplomatisch, sei „allerdings nicht seriös darzustellen.“ Als Ausweg schlagen Loske und Heyne vor, die Anhebung der Benzinsteuer mit der Beitragssenkung der Lohnnebenkosten schon auf den 1. Januar vorzuziehen. Zugleich soll die Benzinsteuer ihrer Ansicht nach nicht nur um die geplanten sechs, sondern um zehn Pfennig je Liter angehoben werden. Damit liegen Loske und Heyne allerdings quer zu den Vorstellungen des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Dieser hatte in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag darauf beharrt, daß die Benzinsteuer nur um sechs Pfennig steigen dürfe.

Am Wochenende hatten Äußerungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) für zusätzliche Irritationen bei der rot-grünen Koalition in Bonn geführt. Er war mit Verweis auf den Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) von der Tageszeitung Die Welt mit der Bemerkung zitiiert worden, das gesamte produzierende Gewerbe solle von Ökosteuern auf Heizöl, Gas und Strom ausgenommen werden.

Der Koalitionsvertrag sieht aber nur Ausnahmen für besonders energieintensive Betriebe vor.

Der bündnisgrüne Umweltminister Jürgen Trittin erklärte gestern, er sei sicher, daß es bei den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag bleiben werde: „Es geht nicht um das Ob, sondern nur noch um das Wie“, so Trittin gegenüber der taz. Hier sei insbesondere zu klären, ob die Ausnahmen für die energieintensiven Unternehmen nach Branchen oder nach jeweiligen Betriebsgrößen gelten sollten.

Zur Forderung der beiden bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Kristin Heyne und Reinhard Loske nach einer Befreiung der regenerativen Energien von der Ökosteuer – dies ist im vorliegenden Entwurf des Finanzministeriums nicht vorgesehen –, wollte sich Trittin nicht festlegen. Dies sei „Neuland“, inbesondere müßten dabei EU-Regularien beachtet werden. Severin Weiland

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