Anzeigen gegen Pinochet

■ Chilenen fordern Senats-Unterstützung

Anlaß zu handeln hätten die hiesigen Behörden allemal. „Was unter Pinochet in Chile geschah, ist in Deutschland bekannt“, sagte Marcello Pino, Sprecher mehrerer chilenischer Organisationen in Hamburg, gestern. „Sonst wären nicht rund 3000 Chilenen bundesweit als asylberechtigt anerkannt.“ Pino hat Kontakt zum Hamburger rot-grünen Senat aufgenommen. „Wir erwarten, daß er sich öffentlich zur Verhaftung des Diktators äußert.“

Allein in Hamburg seien 50 Fälle von ChilenInnen dokumentiert, die während der Militärdiktatur in dem mittelamerikanischen Land wegen ihrer politischen Aktivitäten mißhandelt und gefoltert wurden oder Verwandte verloren, die festgenommen und danach nie wieder gesehen wurden.

Nach dem Ehepaar Campoz Dias, das in der vergangenen Woche Strafantrag gegen den in London inhaftierten Pinochet stellte, hat nun auch die in Hamburg lebende Chilenin Olga Barrera den ehemaligen Militärdiktator angezeigt. Ihr Vater und ein Schwager sind 1973 „verschwunden“. Schon zwei Tage nach seiner Festnahme war ihr Vater tot, weiß Barrera heute. Jahrelang hat sie in Chile um „Gerechtigkeit“ gekämpft, hat Anzeige erstattet und mit Hilfe der kirchlichen Organisation Vicaria della solidaridad und dem Roten Kreuz nach den Verschwundenen gesucht. Schließlich blieb ihr nur die Flucht nach Deutschland, wo sie seit zwölf Jahren lebt.

„Pinochet hat sich selbst amnestiert“, sagt sie. „Erst jetzt, wo er im Ausland ist, besteht die Chance, daß er zur Rechenschaft gezogen wird.“ Marcello Pino hofft, daß „die nun geweckten Hoffnungen bei zigtausenden Chilenen nicht von der englischen Regierung enttäuscht werden“. Anfang dieser Woche soll in London entschieden werden, ob Pinochet als ehemaliger Machthaber Immunität genießt. „Dann könnten auch die hier gestellten Anzeigen ins Leere laufen“, sagt Rechtsanwalt Klaus Piening, der die ChilenInnen vertritt. Elke Spanner