Kriechen aus dem Schuldturm

■ Ab 1999 möglich, hat der private Konkurs viele Tücken

Es sind die bunten Bilder aus dem Versandhauskatalog, die Mahnungen der Stadtwerke und die billigen Versprechen der Kredithaie: Viele Menschen sitzen in der Schuldenfalle. Allein in Bremen sind nach Schätzungen von Schuldnerberatern 24.000 Haushalte überschuldet. Der durchschnittliche Klient einer Beratungsstelle hat 40.000 Mark Schulden bei zehn Gläubigern.

Für sie gibt es ab dem kommenden Jahr eine Chance, aus dem Schuldturm und dem damit verbundenen jahrzehntelangen Leben am Existenzminimum herauszukommen. Das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet die Möglichkeit, sich mit einem privaten Konkurs von den Schulden zu befreien.

Aber der Weg zum schuldenfreien Neuanfang ist steinig und zwischen Gerichten, Schuldnerberatern und Justizbehörden noch keineswegs im Detail geklärt. Das wurde gestern bei einer Fachtagung in Bremen mit 250 Teilnehmern deutlich. „Das Verfahren ist überkompliziert“, findet der Präsident des Bremer Amtsgerichts, Rüdiger Tönnies. „Das Gesetz können vielleicht Juristen lesen, für Verbraucher ist es nicht zu verstehen.“

Neu an dem Gesetz, das schon 1994 verabschiedet wurde, aber wegen der massiven Belastungen für die Länder und entsprechendem Widerstand erst am 1.1.1999 in Kraft tritt, ist ein gewisser Zwang zum Vergleich für Gläubiger und Schuldner. Ernsthafte Versuche, Inkasso-Unternehmen, Banken oder Versandhäuser zum Verzicht auf ihre Forderungen zu bewegen und eigene Gegenleistungen anzubieten, müssen von einer Schuldnerberatung, Verbraucherverbänden, Wirtschaftsprüfern oder der Rechtsberatung einer Arbeitnehmerkammer bestätigt werden. Den Bremer Schuldenberatungsstellen sind dafür zu ihren bisher 15 Vollzeitstellen zwei zusätzliche Stellen zugesagt worden.

Ist ein Vergleich gescheitert, weil nicht alle Gläubiger einer Einigung zustimmen, geht die Sache vor Gericht. Rolf Sauerwald aus der Bremer Justizverwaltung schätzt, daß etwa 1.700 Verfahren nach gescheiterter erster Vergleichsrunde an die Gerichte verwiesen werden. Tönnies ist zuversichtlich, mit dem vom Senat zugestandenen doppelten Personal in den Insolvenzgerichten die Arbeit zu schaffen.

Denn auch im Gericht sieht der Gesetzgeber neue Vergleichsbemühungen vor. In dieser zweiten Runde wird ein Vergleich auch dann geschlossen, wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger, die mindestens 50 Prozent der Forderungen vertreten müssen, auf einen Teil ihres Geld verzichten. Weil das alle Beteiligten wissen, hoffen Experten auf Einigungsbereitschaft schon in der ersten Runde.

Erst wenn sich auch in zweiter Runde keine Einigung herstellen läßt, muß der Richter wieder eingreifen. Jetzt wird das Vermögen des Schuldners bis auf ein Existenzminimum von einem Treuhänder verwertet und an die Gläubiger verteilt. Am Ende dieser Phase, die sieben Jahre dauern soll, steht dann die Restschuldbefreiung. Allerdings nur dann, wenn sich der Schuldner nichts hat zuschulden kommen lassen. jof