Arbeitsamt kassiert Abfindungen

■ Nach Erlaß der Ex-Blüm-Behörde werden Abfindungen auf Arbeitslosenhilfe angerechnet / Betroffene erhalten monatelang keinen Pfennig / Neue Regierung soll Abhilfe schaffen

Claudia Weber* steht finanziell vor dem Offenbarungseid. Die Grafikdesignerin hat vor gut einem Jahr ihre Stelle verloren. Der Betrieb, in dem sie drei Jahre gearbeitet hatte, ging Pleite. Aus der Konkursmasse hat die 40jährige immerhin 14.000 Mark Abfindung erhalten. Eine Sozialleistung, die ihr derzeit zum Verhängnis wird. Nach einer, so die Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger (AGAB), „ungerechtfertigten und willkürlichen“ Änderung durch die Bundesanstalt für Arbeit werden Abfindungen seit Januar dieses Jahres auf Arbeitslosenhilfe angerechnet. Was beim Arbeitslosengeldbezug geschützt ist, führt beim Übergang in die Hilfe dazu, daß vorübergehend kein Pfennig vom Arbeitsamt gezahlt wird.

Claudia Weber muß sechs Wochen warten, bis sie wieder Anrecht auf staatliche Unterstützung hat. Dabei hat sie ihre Abfindung nicht etwa sinnlos und mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen. Sie hat damit vielmehr alte Schulden beglichen. Jetzt hat ihr das Arbeitsamt aber vorgerechnet, daß von den ursprünglich 14.000 Mark Abfindung 8.000 Mark und ein noch nicht zuteilungsreifer Bausparvertrag mit in die Bedürftigkeitsprüfung fallen. Verglichen mit ihrem Ex-Bruttowochenlohn ergibt sich daraus: sechs Wochen kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.

„Ich mußte mir bei Freunden Geld leihen“, sagt Claudia Weber, die von der Regelung trotz Beratung und einem Jahr als Empfängerin von Arbeitslosengeld durch das Arbeitsamt nichts wußte. Jetzt steht sie wieder als die Dumme da. Kein Job, ihre Abfindung hat das Arbeitsamt eingesackt und sie selbst hat erneut 3.000 Mark Schulden.

An dem Dilemma der Grafikdesignerin ist ein einziger Satz in der überarbeiteten Dienstanweisung zum Paragraphen 193 Sozialgesetzbuch III Schuld, der, so die AGAB, „im Handstreich“ gekippt wurde. Dort werden Sozialleistungen aufgeführt, die „nicht als verwertbar geltendes Vermögen“ zählen. Dieser Punkt ist nun ergänzt um den Zusatz: „nicht jedoch Abfindungen wegen Verlustes der Beschäftigung.“ In der Vorgängerfassung waren noch als unantastbar aufgeführt: „Abfindungen nach dem Kündigungsschutzgesetz sowie Abfindungen, die anläßlich von Betriebsstillegungen gewährt werden.“ Gültig bis zu einer Höhe von 10.000 Mark und über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Das Bremer Arbeitsamt bestätigt die geänderte Dienstanweisung. Fast schon mit Bedauern teilt Sprecher Jörg Nowag jedoch mit, daß dem Widerspruch von Claudia Weber nicht stattgegeben werden konnte. „Für die geänderte Dienstanweisung ist die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg beziehungsweise das Bundesarbeitsministerium zuständig.“ Doch auch in Nürnberg verweist man auf Bonn. Diese Änderung sei noch unter Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) entstanden. Auch die AGAB sieht in ihm den Schuldigen: Die neue Regelung ist vom „seinerzeit noch CDU-geführten Bundesarbeitsministerium zu verantworten“.

Herumschlagen muß sich damit jetzt der neue Arbeitsminister Walter Rister (SPD). Aus seinem Haus war keine Stellungnahme zu erhalten. Das Problem wäre bisher nicht bekannt gewesen. Grund genug für die Bremer AGAB, allen Betroffenen zu raten „Rechtsmittel gegen die Verordnung einzulegen“, so Mitarbeiter Martin Lühr. „Wir fordern die neue Regierung auf, diese fragwürdige Interpretation umgehend zu korrigieren.“ Jeti

* Name geändert