Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...kann sich nicht immer seine Freunde aussuchen. Es sei denn, es käme einer daher, der so aussieht wie Til Schweiger. Da würde man gern ja sagen, doch macht der Schauspieler halt auf halbem Weg: „Ich habe ständig homoerotische Beziehungen zu meinen Freunden“, verrät er in einem Interview, „aber nicht sexuelle.“ Und: „Mit meinem besten Freund lege ich mich sogar ins Bett und kuschle mich an ihn.“ Und: „Ich finde Schmusen fast schöner als Sex.“ Dabei – so geht die Geschichte – ist der Mann verheiratet, Vater dreier Kinder und, laut Umfrage, die erotische Offenbarung für jede zweite deutsche Frau. Das soll jetzt alles neu sortiert werden?

Einen Tag später machen die Boulevardblätter auf damit, genauso wie die Klatsch-Magazine im TV: „Mutige Worte über die Zärtlichkeit zwischen Männern!“, „Das Outing des Jahres!“, „Das Til-Schweiger-Bekenntnis!“. Als hätte er die Rallye Paris–Dakar auf einem Hundeschlitten gewonnen oder sei der uneheliche Sohn von Rudolf Mooshammer.

Was sich da so aufplustert zur Schlagzeile, bringt doch nur uralte Männerängste in Stellung. Wie die aussehen? Die B.Z. läßt die Phantasie von der Leine: „Sie hatten getrunken. Sie hatten gelacht, sich gegenseitig auf die Schulter gehauen. Und plötzlich war es da. Ein noch nie zuvor verspürtes Kribbeln, eine intime Vertrautheit, die nichts mit Männerfreundschaft zu tun hat. Ein schwules Gefühl.“ Hat man diese deutliche Unterscheidung zwischen „Männerfreundschaft“ und „schwulem Gefühl“ gerade verdaut, wird das Horror- Szenario eingefangen, ein Psychologe muß ran: Von „Geschlechterverirrung“ faselt der und von einer „allgemeinen Wertelosigkeit“. Dann holt Dr. Stephan Lermer noch einen ganz alten Hut aus der Kiste der Homophobie und poliert ihn auf topaktuell: „Die moderne Sexualforschung zeigt heute Tendenzen, nach denen alle Menschen bisexuell angelegt sind.“ Die Anlage hält jedoch nicht für ein ganzes Leben: „Unsere Erziehung führt aber dazu, daß wir uns als reife, erwachsene Menschen heterosexuell orientieren.“ Was lernen wir daraus? Der homosexuelle Mensch dagegen bleibt unreif und infantil bis ins hohe Alter. So läßt sich aus einer kleinen, unbedachten Schauspieler-Äußerung doch noch eine ganz schöne Portion Schwulenfeindlichkeit ableiten.

Die B.Z. legt am übernächsten Tag nach: Auch Schweiger-Kollege Ben Becker sei – so die Schlagzeile – „offen für Männerschmusen“. Im Interview selbst entpuppt sich der Berliner dann aber als Schaumschläger: „Mir ist sowas noch nicht passiert, aber auch ich stehe dem Ganzen sehr aufgeschlossen gegenüber.“ Weil das selbst dem Springer-Blatt zu mager ist, werden auf derselben Seite vier ganz Große im Männerschmusen enttarnt: Thomas Mann, Gustav Gründgens, Wolfgang Joop und Helmut Berger. Das wirkt arg überstrapaziert, denn nach allem, was wir wissen, ist das Liebesleben eines Helmut Berger von dem eines Til Schweiger soweit entfernt wie Natursektspiele von Suaheli.

Geändert hat sich aber doch etwas: Die junge Generation deutscher Filmstars kann derlei inzwischen gelassen zur Sprache bringen. Das Sex-Symbol von einst, Götz George, drohte vor ein paar Jahren noch demjenigen mit einer Geldstrafe von einer halben Million, der behauptet, er sei bi.