: Ehrerbietung und Gehorsam
„Algeriens Frauen – ewige Minderjährige“, bringen Feministinnen in dem nordafrikanischen Land ihre Kritik an dem seit seiner Einführung 1984 umstrittenen Familiengesetz auf einen Nenner. „Die Ehefrau muß ihrem Mann gehorchen und die Ehrerbietung erweisen, die ihm als Familienoberhaupt zusteht“, heißt es darin. Polygamie mit bis zu vier Frauen ist ausdrücklich erlaubt. Frauen dürfen keine Nichtmuslime ehelichen. Zur Heirat brauchen sie einen männlichen Vormund. Im Falle einer Scheidung steht dem Mann die gemeinsame Wohnung auch dann zu, wenn die Frau am Scheitern der Lebensgemeinschaft unschuldig ist. Einzige Ausnahme ist, wenn er über eine Zweitwohnung verfügt. Die muß er seiner ehemaligen Frau aber auch nur so lange überlassen, wie diese keine neue Beziehung aufnimmt.
Das an das islamische Recht, die Scharia, angelehnte Gesetz markierte das Ende der fortschrittlichen Ära der Nationalen Befreiungsfront (FLN). Nach dem Tod des historischen Staatspräsidenten Houari Boumedienne 1978 hatte in der Einheitspartei der islamistisch- arabische Flügel die Oberhand gewonnen.
Die Regierung schiebt seit diesem Frühjahr eine Reform des Familiengesetzes auf die lange Bank. Die Polygamie wird auf Druck der gemäßigten Islamisten der Partei MSP-Hamas, der Konservativen innerhalb der ehemaligen Einheitspartei FLN und der zur Unterstützung von Präsident Liamine Zéroual gegründeten National-Demokratischen Versammlung (RND) erhalten bleiben. Die drei Parteien stellen zusammen die Regierung und damit auch die Mehrheit im Parlament.
Reformiert werden soll vor allem Artikel 52, der das Recht auf die eheliche Wohnung im Fall einer Scheidung festschreibt. Statt dem Mann, soll das eheliche Domizil künftig dem Partner zugesprochen werden, der sich fortan um die Kinder kümmert. „Die Frauen werden künftig nicht nur die Wohnung, sondern auch ihre Kinder verlieren“, beschweren sich die Frauenorganisationen einhellig.R. W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen