■ Mit Siedewasserreaktoren auf du und du
: Neues Auslaufmodell

Königswinter (taz) – Quasi die amtlichen Ehren verleihen sollte dem neuen Siedewasserreaktor von Siemens das Grußwort des für die Atomenergie zuständigen Abteilungsleiters im Bundesumweltministerium auf einer Fachtagung in Königswinter. Doch Ministerialdirigent Gerald Hennenhöfer mußte auf Geheiß seines neuen Dienstherrn schweigen.

Kein Wunder, hatte doch die Atomlobby, die vor ziemlich genau einem Jahr noch den Druckwasserreaktor – des European Pressurized Water Reactors (EPR) – hatte feiern dürfen, nun ein weiteres Zeichen für ihren ungebremsten Optimismus setzen wollen. Auch wenn das ein bißchen kleiner ausgefallen wäre als das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt EPR, das mehr als 3.000 Megawatt Leistung liefern soll: Der neue Siemens- Siedewasserreaktor SWR 1000 schafft nur 1.000 Megawatt.

Das Aufbruchsignal geriet zur Abschiedsvorstellung. Es gebe keine Bauabsicht, hieß es schon bei der Vorstellung des neuen Typs. Sogar der potentielle Hersteller Siemens KWU formuliert defensiv. Schon 1992, als man begonnen habe, den neuen Reaktor zu entwickeln, sei kein Neubau absehbar gewesen, sagt KWU-Chef Adolf Hüttl.

Gegen diese Version spricht, daß Siemens noch im September 1998 kurz vor den Wahlen beim Bundesamt für Strahlenschutz ein nach der letzten Atomgesetz-Novelle mögliches neues standortunabhängiges Genehmigungsverfahren für den neuen Meiler beantragt hat. Der Antrag wird mit der Rücknahme der Novelle, wie sie im rot-grünen Koalitionsvertrag vorgesehen ist, allerdings hinfällig.

Einen Markt für den neuen Reaktortyp sieht Hüttl so allenfalls im Ausland. Sein Pressesprecher Wolfgang Breyer tippt auf Finnland. Doch ein anwesender Vertreter des finnischen Stromunternehmens TVO dementierte umgehend. Es sei derzeit politisch nicht möglich, in Finnland ein neues Atomkraftwerk zu bauen – auch wenn man sich dort „die nukleare Option offenhalten“ müsse. Hüttl gründet seine Exporthoffnungen auf die Klimakrise, die dazu führen könne, daß Kernenergie als „saubere Technik“ wieder eine größere Rolle spielen werde.

Die 37 Millionen Mark, die bis Mitte 1999 für den SWR 1000 ausgegeben werden, dienten vor allem dem Erhalt kerntechnischen Know-hows, ist deshalb die meistgenannte Begründung, warum an einem Auslaufmodell gearbeitet wird. Ob der SWR 1000 die Forderungen der künftig wieder ausschlaggebenden Atomgesetz- Novelle von 1994, die Auswirkungen einer Kernschmelze auf das Anlagengelände zu begrenzen, einhalten könnte, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Noch fraglicher ist, ob er dabei billiger sein kann als die hocheffizienten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke. Die Kerntechnik sei derzeit „einem vollen Orkan von vorne“ ausgesetzt, heißt es deshalb bei Siemens. Der wirtschaftliche Gegenwind, der den politischen unterstützt, kommt dabei sogar aus den eigenen Reihen. Gas- und Dampfturbinen baut Siemens-KWU nämlich auch – und zwar erfolgreicher als neue Atomkraftwerke. Karl Amannsberger