Harter Preiskrieg an der Zapfsäule

■ Ulmer Tankwart senkt aus Rache an Ölkonzernen drastisch die Benzinpreise. Billiger Kraftstoff in Hamburg wegen harter Konkurrenz

Augsburg (taz) – Der Liter Diesel für 96 Pfennig, Benzin bleifrei für unter 1,40 Mark. Von solchen Spritpreisen können die meisten Bundesbürger nur träumen. Zwischen elf und zwanzig Pfennig mehr müssen andernorts bezahlt werden. Doch in der kleinen Ortschaft Gingen bei Göppingen – zwischen Stuttgart und Ulm – gibt es seit Wochen Sprit im Angebot. Der Niedrigpreis-Sog, der sich zu den Benzinkonzernen in Hamburg herumgesprochen hat und dort für heftige Diskussionen sorgt, wird von einem Tankwart ausgelöst, der seit neun Jahren eine Freie Tankstelle betreibt.

Der Preiskrieg ist seine Rache für die Behandlung durch die Mineralölkonzerne. Die nämlich ärgern den Autohändler und Tankwart Andreas Heinzmann schon lange. Den Freien Tankstellen würde kaum eine Existenzgrundlage gelassen. Er müsse nun mal mindestens zwei Pfennig unter den Markenanbietern verkaufen, wenn er sich am Markt behaupten wolle. Doch immer wenn er diese Preise umsetzen wollte, drückten ihn die „Großen“ weiter nach unten, daher also seine Niedrigpreis- Attacke. „Ich verdiene im Moment nichts am Benzin. Aber ich zahle auch nicht drauf.“

Er werde das „ewig durchhalten“, prophezeit er. Schließlich laufe sein Gebrauchtwagenhandel so gut, daß er genügend Geld verdiene. Seine eigenwillige Preispolitik hat bereits Auswirkungen auf die ganze Region. Die Preisspirale nach unten dreht sich nämlich längst auch im rund 40 Kilometer entfernten Ulm und Neu-Ulm. Selbst im sechzig Kilometer entfernten Günzburg in Bayern jubeln derzeit Autofahrer über Niedrigstpreise. „So etwas ist immer eine Art Kettenreaktion“, meint Shell-Pressesprecher Lars- Olaf Brendl. Allerdings sei derzeit der Markt für Benzin in Bewegung wie schon lange nicht mehr. Der niedrige Dollarkurs, der ausgesprochen günstige Rohölpreis und der immer härtere Wettbewerb trügen dazu bei.

Bei einem durchschnittlichen Benzinpreis von derzeit 1,53 Mark für Normalbenzin entfallen laut Shell AG 1,20 DM auf Steuern und Abgaben (78,4 Prozent), der Produktpreis selbst (ab Rotterdam) liege bei gut 20 Pfennig (13,2 Prozent), weitere 12,9 Pfennig (8,4 Prozent) kämen für Transport, Vertrieb und Kapitaldienst samt Pacht hinzu. Im letztgenannten Posten ist auch die Gewinnspanne der Mineralölkonzerne versteckt.

Fragt sich nur, wie dann eine Freie Tankstelle ohne Verluste den Sprit für 1,40 Mark verkaufen kann. Kann sie auch nicht, sagen andere „Freie“ aus der Gegend, die enorm unter der Heinzmannschen Preispolitik stöhnen. „Der macht uns alle kaputt.“

„Die Esso in unserem Dorf zählt schon unsere Tage“, klagt die Mitinhaberin einer Freien Tankstelle in Hochdorf bei Göppingen. „Wir verdienen unser Geld nur durch die Tankstelle und nicht, wie Herr Heinzmann, durch den Autoverkauf.“ Der Gingener Tankwart schwäche die Position aller Freien Tankstellen.

Unabhängig von der Gingener Benzinschlacht ist das Preisgefälle innerhalb Deutschlands ausgesprochen groß und veränderlich. Während im August München und Hamburg nur um einen Pfennig auseinanderlagen, ist Benzin derzeit in der Hansestadt sieben und mehr Pfennig billiger. Das liegt daran, daß dort unter den Großen der Benzinbranche ein knallharter Preiskampf ausgebrochen ist, allerdings aus anderen Gründen als im tiefen Süden. An der Alster geben sich die Ölkonzerne gegenseitig die Schuld am Preiskampf: Shell behauptet, die Aral AG habe ihre kleinen Stationen an eine Firma abgegeben, die als „billiger Jakob“ am Markt agieren soll. Aral wiederum wirft Esso vor, mit dem Preiskampf begonnen zu haben. Doch Esso erklärt ebenso wie DEA und BP, man habe den Preiskampf nur angenommen, um „keine Marktanteile zu verlieren“. Klaus Wittmann