Schweizer wiedervereinigen ihre Chemie

■ Ciba Geigy und Clariant wollen fusionieren. Es entsteht ein weltweit führender Konzern für Grundstoffe aller Art. Um künftig Kosten zu sparen und die ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen, sollen weiter

Berlin/Basel (taz/dpa/rtr) – Für Beschäftigte der Chemiebranche empfiehlt es sich weiterhin, morgens zuerst das Radio einzuschalten – sie könnten sonst verpassen, daß ihre Firma Namen oder Besitzer gewechselt hat. Munter tauschen die Konzerne derzeit Unternehmensteile aus, „bereinigen ihr Portfolio“, wie es so schön heißt.

Gestern nun haben zwei Konzerne mit Sitz in der Schweiz ihre Fusion angekündigt. Ciba Geigy und Clariant wollen sich zusammenschließen. Die neue Firma wird einen Umsatz von 18 Milliarden Schweizer Franken, etwa 21,6 Milliarden Mark, im laufenden Jahr verbuchen. Grund für die Fusion sind beabsichtigte Einsparungen von mehr als 600 Millionen Franken pro Jahr, schreiben die beiden Firmen. Um diese Rate zu erreichen, sollen weltweit 3.000 von 55.000 Stellen gestrichen werden. Wie stark die deutschen Unternehmensteile zur Ader gelassen werden, konnten die Sprecher gestern bis Redaktionsschluß noch nicht sagen. In der deutschen Zentrale im baden-württembergischen Lampertheim wurde gestern erst einmal die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung informiert. Im Geschäftsjahr 1999 wird die Fusion zuerst kosten, „Restrukturierungskosten“ von etwa 800 Millionen Franken sollen anfallen.

In den Schweizer Konzernzentralen werden sich die Arbeitsplatzverluste in Grenzen halten, schätzen die Vorstände. Dort wurde in den vergangenen Jahren schon kräftig umstrukturiert. Ciba hatte schon im August angekündigt, weltweit 1.100 Stellen zu streichen.

Die beiden Firmen sind in gewisser Weise schon länger verbunden: Als die Basler Riesen Sandoz und Ciba Geigy zum Pharmagiganten Novartis fusionierten, gliederten sie ihre Chemiesparten aus, Clariant wurde 1995, Ciba Geigy 1996 eigenständig. Nun folgen die Chemietöchter dem Beispiel der alten Konzernmütter. Bei Clariant muß jedoch noch der Hoechst- Konzern befragt werden. Der besitzt dort 45 Prozent der Aktien, weil er im vergangenen Jahr wiederum seine Spezialitätenchemie ins Geschäft eingebracht hatte.

Der neue Konzern wird einer der größten weltweit sein bei diversen Spezialchemikalien. Mittelchen zur Wasseraufbereitung, Farben, Grundstoffe für die Pharma-, Elektronik- und Agrarchemie stehen auf dem Programm. Die Zulieferersparte für die Kunststoffchemie wird eventuell verkauft; der Konzern drückt das wie folgt aus: es stehe die „Prüfung strategischer Optionen“ an. Die leichte Vorherrschaft wird Clariant haben, weil diese AG schon heute etwas größer als Ciba ist – obwohl Ciba erst in diesem Jahr die englische Farbenfirma Allied Colloids für 4,3 Milliarden Mark gekauft hat. Der neue Bereich muß allerdings noch ein wenig saniert werden und bringt erst einmal Abschreibungsverluste von 1,2 Milliarden Mark. Der neue Gesamtkonzern wird denn auch Clariant heißen, als Firmenlogo jedoch den in allen Chemiefarben schillernden Schmetterling von Ciba beibehalten.

Clariant fiel der breiten Öffentlichkeit bisher kaum auf. Diesen April erhielt das Frankfurter Werk allerdings Besuch von Greenpeace-Aktivisten: Diese kritisierten, daß die Firma Zellstoff von der kanadischen WFP bezieht, obwohl die Holzfirma für Kahlschläge im Great-Bear-Regenwald in der Provinz British Columbia verantwortlich ist.

Mit einem Forschungsbudget von 650 Millionen Schweizer Franken und einem Gesamtprofit vor Steuern von knapp 1,55 Milliarden Mark im Jahr 1997 will die neue, größere Clariant AG in der Branche ganz vorne mit dabeisein. Und natürlich schneller wachsen als der Weltmarkt, wie alle Großen. Das persönliche Ziel der kommenden Clariant-Spitze ist dabei nach eigenen Angaben von gestern, den Umsatz 1,5mal so stark zu steigern wie das Wachstum der Weltwirtschaft. Unter diesen Vorzeichen werden die meisten Aktionäre der Fusion im ersten Quartal des kommenden Jahres zustimmen. Reiner Metzger