Prozeßauftakt gegen Ronny Rieken

■ Gericht sucht nach Antwort auf den Tod von Ulrike und Nelly

Oldenburg. Mit der „inständigen“ Bitte, „die Kräfte von Wut und Empörung, die Energie der Rachegelüste zu kultivieren“, wandte sich der Pfarrer von Strücklingen am 28. März an eine tausendköpfige Trauergemeinde. An diesem Tag wurde die elf Jahre alte Christina Nytsch begraben. Ein zu diesem Zeitpunkt noch unentdeckter Täter hatte das Mädchen mit dem Kosenamen „Nelly“ zwölf Tage zuvor sexuell mißbraucht und getötet.

Von Donnerstag an muß eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Oldenburg eine Antwort nicht nur auf dieses Verbrechen finden. Drei Berufsrichter und zwei Schöffen müssen prüfen, ob sich der 30 Jahre alte Ronny Rieken des Mordes an Christina und an der 13 Jahre alten Ulrike Everts aus Jeddeloh (Kreis Ammerland) schuldig gemacht hat und welche Strafe bei einem Schuldspruch angemessen ist.

Laut Anklage hat Rieken Christina am 16. März 1998 und Ulrike am 11. Juni 1996 ermordet, um die vorangegangene Vergewaltigung der Opfer zu verdecken. Angeklagt ist der ehemalige Binnenschiffer außerdem wegen zwei weiterer Sexualtaten: Während eines Urlaubs aus der Strafhaft zur Jahreswende 1992/93 hat er sich an einer Achtjährigen aus der Familie vergangen. Drei Jahre später hat er eine neun Jahre alte Schülerin in Neuscharrel (Kreis Cloppenburg) entführt und mißbraucht. Rieken hat nach Auskunft der Justiz alle ihm zur Last gelegten Taten gestanden.

Ob die Öffentlichkeit den Prozeß von Anfang bis Ende mitverfolgen kann, entscheidet das Gericht. Im Verfahren gegen den Mörder der zehn Jahre alten Kim aus Varel, Rolf Diesterweg, hatte das Schwurgericht im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit bei der Erörterung von Einzelheiten der Tat vorübergehend ausgeschlossen. Damit rechnen Beobachter auch im Rieken-Prozeß. Bereits die Mitteilungen des Gerichts im Vorfeld des Verfahrens hatten deutlich gemacht, daß es um schreckliche Details gehen wird.

Angesetzt sind vorläufig neun Verhandlungstage. Geladen sind zwölf Zeugen sowie insgesamt vier psychologische und medizinische Sachverständige. Die Eltern der Mordopfer sind als Nebenkläger zugelassen. Der Prozeß wird unter peniblen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, um Racheakte auszuschließen. Initiativen gegen Gewalt und Mißbrauch von Kindern haben ihre Anwesenheit vor dem Gerichtsgebäude angekündigt. Sie wollen den Prozeß mit Mahnwachen begleiten.

Manfred Protze, dpa