Bewag bevorzugt billigen Dreckstrom

■ Energieversorger verringert die Turbinen im Kraftwerk Charlottenburg und kauft Braunkohleenergie. Weitere Kraftwerke werden überprüft

Was Energieexperten seit längerem befürchtet haben, ist eingetreten: Die Bewag reduziert den in Berlin erzeugten, „sauberen“ Strom und kauft statt dessen wesentlich billigeren, aber „dreckigen“ Strom von außen ein. Gleichzeitig schafft sie damit Arbeitsplätze ab. Dieser Fall tritt als erstes beim Kraftwerk Charlottenburg ein. Alle weiteren zwölf Kraftwerke sollen ebenfalls auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft werden, sagte Bewag-Sprecher Uwe Lemm auf Anfrage. Damit könnte sich die begonnene Entwicklung fortsetzen.

Wie gestern bekannt wurde, will die Bewag bis zum Jahr 2001 für 100 Millionen Mark das Kraftwerk Charlottenburg umrüsten. Bislang erzeugen dort drei Steinkohle- und drei Gasturbinen Strom und Wärme. Nach der Bewag-Planung sollen die Kohleturbinen stillgelegt und zwei Gasturbinen auf Erdgas umgerüstet werden. Weil dann das Kraftwerk weniger Strom erzeugt, muß dieser aus dem europaweiten „Verbundnetz“ genommen werden.

Damit wird in Zukunft mehr Strom aus unökologischerer Herstellung, etwa aus Atomkraftwerken oder Anlagen mit Braunkohleturbinen in die Leitungen der Stadt fließen. Der umweltpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Hartwig Berger, befürchtet, daß der Strom aus Kraftwerken in der Lausitz stammt. Die Bewag hat sich vertraglich verpflichtet, Braunkohlestrom von dort zu beziehen. Braunkohle-Verfeuerung setze jedoch 30 Prozent mehr Kohlendioxid frei als Steinkohle, weiß Berger. Da diese Emissionen in die Energiebilanz des Landes Berlin eingerechnet werden müssen, entfernt sich damit das Land noch weiter von seinem Ziel, bis zum Jahr 2010 dem CO2-Ausstoß um 25 Prozent zu verringern. Zudem fehle, kritisierte Hartwig Berger, im Kraftwerk Lausitz die ökologisch sinnvolle Kraft-Wärme-Kopplung, wie sie in Charlottenburg vorhanden ist.

Um die ökologisch sinnvolle Fernwärme-Versorgung nach der Turbinen-Stillegung in Charlottenburg im bisherigen Maß aufrechtzuerhalten, muß die Bewag einen zusätzlichen Heißwasser-Erzeuger installieren. Erweitern lassen sich die Kapazitäten der Fernwärmeversorgung für Wohnungen mit Zentralheizungen nach der Umrüstung aber nicht mehr.

Gerade beim Kraftwerk Charlottenburg macht die Bewag eine völlige Kehrtwende. Noch im März dieses Jahres plante das Energieunternehmen, statt der Gasturbinen die Gas- und Dampfturbinen-Technik (GuD) in dem Gebäude zu installieren. Unter Energieexperten gilt die GuD derzeit als optimale Ausnutzung der Kopplung von Elektrizität und Wärme. Charlottenburg wäre ein ökologisches Vorzeigeobjekt geworden.

Neben der Abkehr vom Öko- Kraftwerk bedeutet die Umrüstung auch einen Verlust von fast 300 Arbeitsplätzen. Von den derzeitig 310 Beschäftigten bleiben nur 60 übrig. Es soll allerdings niemand entlassen werden, versicherte Lemm. Über „natürliche Fluktuation“, Versetzungen und Vorruhestand wollten sie die Mitarbeiterzahl abbauen.

Der Bündnisgrüne Berger fordert den Senat auf, diese Pläne zu verhindern. Zu seinem Bedauern hat der Senat nach dem Verkauf der Bewag allerdings kaum noch Möglichkeiten, auf den Energieversorger Einfluß zu nehmen. Berger verwies jedoch auf den Konzessionsvertrag des Landes mit der Bewag. Darin verpflichte sich das Energieunternehmen auf die Grundsätze des Landesenergiespargesetzes – allerdings nur wenn das betriebswirtschaftlich vertretbar sei. Damit könne sich die Bewag immer herausreden, kritisierte Berger. Jutta Wagemann