Das Portrait
: Prinz Charles kommt an die Macht

■ Reinhard Klimmt

Es war eine dieser Innovationstagungen, mit denen sich die wahlkampftrunkene SPD im Frühjahr feierte. Auf dem Podium Topmanager, Gewerkschaftsbosse und Wissenschaftler, der Raum voll wichtiger Begriffe. „Informationsgesellschaft!“ „Industriepolitische Gesamtstrategie!“ Plötzlich, mitten in der Diskussion, steht einer aus dem Publikum auf. Die Experten sind irritiert. Der Mann geht zum Podium, schnappt sich ein Fläschchen Mineralwasser, öffnet es, setzt an, trinkt es in zwei Zügen leer. Er dreht sich um, ein breites Grinsen. Reinhard Klimmt, der gestern zum Ministerpräsidenten des Saarlands gewählt wurde, liebt Auftritte mit der Botschaft: „Die SPD darf kein Bonzen- Image kriegen.“

Gerne zeigt der SPD-Politiker, daß er sich nicht „rausemanzipiert“ hat aus dem Leben „der kleinen Leute an den Resopaltischen“, wie er es anderen Genossen einmal vorwarf. Zwar legt er auf seine intellektuellen Hobbys Wert – das Sammeln westafrikanischer Masken und antiker Bücher –, will aber dennoch nahe an den Stahlkochern und Hüttenarbeitern bleiben. Die Menschen in Völklingen und Saarlouis mögen das. Es tobt jeder Saal, wenn Klimmt gegen die Abschaffung des Länderfinanzausgleichs schimpft und den Erhalt des Saarlands fordert. Die Saarbrücker Zeitung berichtete letzthin, der 56jährige sei schon fast so beliebt wie sein Vorgänger, der SPD-Chef Oskar Lafontaine.

Bisher stand Klimmt immer im Schatten Lafontaines. Die beiden kennen sich schon seit der Studentenzeit an der Saarbrücker Uni: „Ich mache den Vorsitz und du den Stellverteter“, sagte Lafontaine, bevor beide die saarländischen Jusos auf Kurs brachten. Seither hielt Klimmt dem Freund den Rücken frei. Als Lafontaine Regierungschef wurde, kümmerte sich sein Kumpel als Fraktionsvorsitzender um die SPD. Die Partnerschaft funktionierte auch, selbst wenn die beiden unterschiedlicher Meinung waren – etwa bei der Änderung des Asylrechts, die Klimmt ablehnte. Die Rolle als ewiger Kronprinz versuchte Klimmt gelassen zu nehmen: Er sei eben ein „Mannschaftsspieler“. Jedoch nannten er und Wolfgang Clement sich „Prinz Charles“, bis Clement in NRW endlich Johannes Rau beerben durfte. Nun ist auch Klimmt endlich König. Und sagt: „Ich habe durchaus Selbstbewußtsein, die Nummer eins zu werden.“ Georg Löwisch