Verbraucher zahlen die Zeche bei der Ökosteuer

■ Proteste von allen Seiten gegen rot-grüne Steuerpläne. Privathaushalte sollen den Löwenanteil berappen. WWF: „Die Grünen haben sich über den Tisch ziehen lassen“

Berlin (taz) – Frühestens morgen werden die genauen Zahlen bekannt, wie die Industrie an der Ökosteuer beteiligt werden soll, doch schon jetzt ist klar: Den Löwenanteil der Belastungen werden die Verbraucher tragen. Das geht los bei der Erhöhung der Mineralölsteuer, von der die Privaten gut 70 Prozent zahlen werden. Bei Strom und Erdgas wird der Anteil vermutlich bei zwei Dritteln liegen, zusammen mit der öffentlichen Hand sogar bei 80 Prozent.

„Daß das verarbeitende Gewerbe weitgehend herausgenommen wurde, ist ein Hammer“, urteilt Ralf Bach, Sprecher von UnternehmensGrün, einem Zusammenschluß von 270 ökologisch orientierten Firmen, „in der Konsequenz ist das wohl eher eine Endverbrauchersteuer.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht dagegen das produzierende Gewerbe als Opfer: „Die neue Regelung kommt uns nicht entgegen“, sagte BDI- Sprecher Albrecht von der Hagen. Er hält die Ökosteuer für „unausgegoren“ und fürchtet eine mögliche „Quersubventionierung des Dienstleistungssektors durch die Industrie“.

Davon kann nach Berechnungen der taz keine Rede sein. Nach dem bisherigen Referentenentwurf soll die Mineralölsteuer um sechs Pfennig pro Liter steigen, der Strompreis um zwei Pfennig pro Kilowattstunde und Erdgas um 0,32 Pfennig pro Kilowattstunde. Laut der Einigung zwischen Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) soll für die Industrie der Steuersatz für Gas und Strom auf etwa ein Fünftel abgesenkt, „besonders energieintensive“ Branchen sollen ganz ausgenommen werden. Allein der private Stromverbrauch (134 Milliarden Kilowattstunden 1996) bringt einen Ertrag von 2,7 Milliarden Mark, der Verbrauch der öffentlichen Hand zusätzlich geschätzte 750 Millionen Mark. Macht zusammen bereits 3,5 Milliarden Mark. Insgesamt sind im Referentenentwurf bisher aber nur 4,1 Milliarden Mark an Aufkommen aus der Stromsteuer veranschlagt. Insgesamt soll die Ökosteuer 11 Milliarden einbringen.

Selbst wenn die Industrie-Stromkunden (Verbrauch 1996: 185 Milliarden Kilowattstunden) inklusive der stromintensiven Bereiche komplett mit dem ermäßigten Satz besteuert würden, käme der Betrag nicht deutlich über 700 Millionen Mark. Veranschlagt waren von Lafontaine bislang nur 130 Millionen.

Einen größeren Teil dürften eher die Dienstleister und der Handel zahlen, für die der normale Satz weiter gelten soll. Ihr Anteil ist allerdings nur schwer aus den offiziellen Stromstatistiken herauszufiltern und liegt vermutlich in der Größenordnung von einer halben Milliarde, höchstens bei 1,2 Milliarden Mark.

Beim Gasverbrauch läuft die Rechnung ähnlich wie beim Strom – zuungunsten der privaten Verbraucher. Beim Benzin werden 70 Prozent im Personenverkehr verbraucht und nur 30 Prozent für den Güterverkehr. Fazit: Am meisten zahlen die Privaten, gefolgt von der öffentlichen Hand und den Dienstleistern, erst ganz am Ende kommt die Industrie.

„Wenn es bei den Ausnahmeregelungen für Erdgas und Strom bleibt, werden für den Großteil des Verbrauchs Ausnahmeregelungen bestehen“, urteilt Hans-Joachim Ziesing, Leiter der Energieabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Das wird zu Lasten der Tarifkunden gehen, also der Privaten und der öffentlichen Hand.“

Das stört auch den Naturschutzbund (Nabu). „Als einziger wird mal wieder der Verbraucher zur Kasse gebeten“, sagt Nabu-Sprecher Michael Schroeren, der künftig Sprecher des Umweltministeriums sein wird. „Der Ökosteuer-Kompromiß ist weniger als ein halbherziger Einstieg.“ Diejenigen, die am meisten Energie verbrauchen, würden auch noch geschont. Seiner Ansicht wäre trotz des Zeitdrucks mehr möglich gewesen, hätte die SPD nur den politischen Willen gehabt. Das sieht der WWF ähnlich: „Die Grünen haben sich ganz einfach über den Tisch ziehen lassen.“ kap, Matthias Urbach