■ Ist es für einen Mann ehrenrührig, für schwul gehalten zu werden?
: Die Hosen voll

Ob ein „Tagesschau“-Sprecher nun homosexuell ist oder nicht, kann und sollte uns egal sein. Der Journalist, der ihn in einem Buch eher beiläufig als schwul erwähnte, ging naiverweise davon aus, daß zutrifft, was Branchenkollegen von Jens Riewa sagten. Und was sie höchstens als normalen Bürotratsch verhandelten, etwa im Sinne von: „Guck mal, die hat 'ne neue Frisur“ oder „Hast du schon gehört?“. Der Journalist hatte nicht die Absicht, Riewa zu outen, ihn bloßzustellen oder zu blamieren. Wie überhaupt der ganze Fall sich nur vordergründig darum dreht, Männer gegen ihren Willen als schwul zu outen. Denn die Männer und Frauen, die das Lexikon mit dem freilich mißverständlichen Titel „Out“ aufführte, waren samt und sonders Figuren, mit denen zu identifizieren sich für Schwule und Lesben lohnt. Und Riewa, soviel steht fest, wurde vom offen homosexuellen „Tagesschau“- Sprecher Werner Veigel nicht nur beruflich protegiert, sondern auch für eine Porträtserie im Schwulenmagazin Magnus empfohlen. Da lag der Schluß nahe, daß Riewa kein Problem damit hat, homosexuell zu sein. Was er aber nach eigenem Bekunden nicht ist.

Ist uns ja, wie gesagt, auch egal. Doch es geht längst nicht mehr um einen Mann, der gerichtlich festgeschrieben sehen wollte, nicht schwul zu sein. Denn was verstört, ist weniger Riewas Wunsch, daß sein Privatleben öffentlich nicht verhandelt wird, um im Mediengeschäft zu bleiben. Nun stellte sich heraus, daß der Mann so gut im Geschäft ist, wie man es in seinem Alter als Schlagermoderator nur sein kann.

Irritierend bleibt, mindestens, Riewas Meinung, daß die Annahme, schwul zu sein, für jeden Mann einer Beleidigung, einer Verleumdung gleichkomme. Und das in Zeiten, wo die rot-grüne Regierung just beschlossen hat, homosexuelle Lebensgemeinschaften zivilrechtlich schützen zu wollen.

Nur vordergründig ging es also um die Klärung, was öffentlich über eine Person gesagt werden darf und was auf keinen Fall. Tatsächlich kann das Publikum nun lernen, daß Homosexualität peinliche Verschwiegenheit nahelegt und ein Grund zur Beschämung ist. Denn im Grunde hätte Riewa souverän agieren können: Irrtum, und basta. Hat er aber nicht. Was er machte, war ein verständlicher Reflex auf eine Gesellschaft, die nur teilweise liberal funktioniert. Dort, wo es an Offenheit fehlt, ist es nicht gesellschaftsfähig, anders als heterosexuell zu sein. Der Kompromiß, der um die verunglückte Buchpassage vor Gericht gefunden wurde, bestärkt diese Mentalität nachhaltig. Jan Feddersen