Kompromiß um eine verletzte Ehre

In der Affäre um die vermeintliche Homosexualität des „Tagesschau“-Sprechers Jens Riewa stimmte der Quer-Verlag einem Vergleich zu. 5.000 Mark Schmerzensgeld für gute Zwecke soll er zahlen  ■ Von Jan Feddersen und Reinhard Krause

Berlin (taz) – Morgen sollte das Hamburger Landgericht sein Urteil verkünden. Gestern einigten sich die Prozeßparteien, der Berliner Quer-Verlag und der „Tagesschau“-Sprecher Jens Riewa, auf einen Kompromiß. Beide Seiten nahmen den Vergleichsvorschlag des Gerichts an. Das schwulesbische Unternehmen erklärt sich nun bereit, 5.000 Mark Schmerzensgeld an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Darüber hinaus trägt es die eigenen Prozeßkosten – die für die Unterlassungserklärung und den Vergleich. Jens Riewa begleicht seine Verfahrenskosten; er wird sie aus dem Urteil vom 23. Oktober tragen. Damals hatte sich der Foerster-Verlag namens seines Magazins Adam bereit erklärt, Riewa nicht mehr als schwul zu bezeichnen und 15.000 Mark Buße zu zahlen. Auch der Berliner Quer-Verlag hatte sich bereits nach Prozeßeröffnung willig gezeigt, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Aus der zweiten Auflage des Buches mit dem mißverständlichen Titel „Out“ war die inkriminierte Passage bereits getilgt worden.

Mit diesem Vergleich endet eine Affäre, die im September 1997 begann. Damals hatten die JournalistInnen Axel Schock und Karen-Susan Fessel in ihrem Buch „Out! 500 berühmte Lesben, Schwule & Bisexuelle“ in dem Eintrag über den mittlerweile verstorbenen „Tagesschau“-Sprecher Werner Veigel auch Jens Riewa als schwul erwähnt. Die AutorInnen waren naiverweise und nach nur flüchtiger Recherche im Bekanntenkreis davon ausgegangen, daß Riewa – wie sein Förderer Veigel auch – homosexuell sei und kein Problem damit in der Öffentlichkeit habe.

Im Gegenteil aber ließ Riewa anwaltlich nicht nur erklären, daß diese lexikalische Notiz seine Privatsphäre beschädige, sondern, mehr noch, auch eine Homosexualität bei ihm nicht zutreffe. Die Verve, mit der Riewa seinen juristischen Protest begründen ließ, erklärte er mit befürchteten beruflichen Nachteilen. Die allerdings konnte sein Anwalt Ende Oktober vor Gericht nicht darlegen.

Tatsächlich mußte nach Informationen der taz Riewa nur auf die Moderation einer Sendung während der jüngsten Zeit verzichten. Das war die deutsche Vorentscheidung zum Grand Prix d'Eurovision Ende Februar in Bremen. Der NDR entschied sich – anders als in den Vorjahren – gegen Riewa, um der Show ein etwas jugendlicheres Image zu verleihen. Der „Tagesschau“-Sprecher, dessen Musikalität niemand im Sender bestritt, begleitet sonst Schlagersendungen in den dritten TV-Programmen – die überwiegend von älteren Menschen gesehen werden. Eine angebliche oder vermeintliche Homosexualität habe bei dieser Besetzungsfrage nie eine Relevanz gehabt.

Am Ende spielten diese Fragen auch für den nun gefundenen Kompromiß keine Rolle. Worauf sich das Landgericht gestützt haben mag, ist eine Antwort der christliberalen Bundesregierung aus dem Jahre 1992, nach der „die bloße Aussage über einen Menschen, er sei gleichgeschlechtlich veranlagt, sofern sie zutrifft, kaum als ein ehrverletzender Angriff im Sinne des Strafgesetzbuches angesehen werden (kann)“.

Und Riewa bestritt, zuletzt am Montag in Focus, vehement, schwul zu sein. Insofern hatte der Quer-Verlag keine Wahl. Für einen politischen Prozeß um dieses Rechts- und Menschenverständnis hat den persönlich haftenden Gesellschaftern des Unternehmens das nötige Kapital gefehlt.

Immerhin muß dieser finanziellen Lasten wegen der kleine Verlag nicht Konkurs anmelden. Gleich nach der ersten Verhandlung solidarisierten sich fast alle schwulesbischen Vereine, Initiative und Verlage. Darüber hinaus auch der eines schwulesbischen Programms unverdächtige Argument-Verlag, der das Ansinnen Riewas als „unerträgliche Diskreditierung von Menschen, die homosexuell leben und ihre Lebensweise in der Öffentlichkeit vertreten“ kritisierte.

Auch von einer wirklich prominenten Person wie Georg Uecker, offen schwuler Serienstar in der Lindenstraße („Carsten Flöter“) kam Kritik. In der Harald- Schmidt-Show belustigte er sich über den Fall und fand kein Verständnis für soviel Privatisierungs- und Abgrenzungswillen. Riewas früherer Kollege, der bundesweit stets geschätzte „Tagesschau“- Sprecher Wilhelm Wieben, meinte im August im Hamburger Homostadtmagazin Hinnerk auf die Frage, ob es Nachteile in seinem Beruf geben könne, aus seiner Homosexualität kein Geheimnis zu machen: „...nicht die geringsten“.

Die grünalternativen Homos aus Hamburgs haben den Streit um Persönlichkeitsrechte zum Anlaß genommen, Jens Riewa mit einem Preis zu bedenken – die „Rosa Zitrone“ für die schwulesbenfeindlichste Aktion des Jahres.

Er habe Schaden angerichtet, weil er so tat, als sei Homosexualität ein Vorwurf. Wörtlich heißt es zur Begründung: „Von einer prominenten Persönlichkeit wie Jens Riewa, der sich in einem Milieu aufhält, in dem Homosexualität keine Besonderheit darstellt, hätten wir mehr Sensibilität erwartet.“ Die Gruppe ließ auf Nachfrage offen, welches Milieu sie damit gemeint haben könnte.

Die Übergabe der Auszeichnung wird nun leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen – denn sie hätte morgen vor dem Hamburger Landgericht stattfinden sollen.

Riewa hatte aber schon am Tag der Verhandlung darauf verzichtet, persönlich sich dem Richter vorzustellen. Dem Berliner Verlag bleiben nun Schulden in Höhe von insgesamt etwa 13.000 Mark. Um das Unternehmen nicht auf diesen Kosten sitzenzulassen, findet am 2. Dezember im Berliner Veranstaltungszentrum SO36 eine Comedy Benefiz-Gala statt. Motto: „Wer zuletzt lacht...“ Mit dabei: Monty Arnold, Georg Uecker, Maren („Nachtschwester“) Kroymann und Lilo Wanders; Videobotschaften von Dirk Bach sowie Hella von Sinnen sollen ausgestrahlt werden.