„Wir hier sind nur so eine Art Fußsoldaten“

■ Der Befehl zum Abzug aus dem Irak hat die UN-Waffeninspekteure völlig unvorbereitet erwischt

Bagdad (taz) – Die Entscheidung kam überraschend. Noch am Vortag hatten die UN-Inspekteure im Canal-Hotel, dem Bagdader Hauptquartier der Unscom, gelassen Däumchen gedreht. Weil sie keine irakischen Militäreinrichtungen mehr inspizieren durften, erledigten sie „überfällige Inventuren“, säuberten die Festplatten ihrer Computer von überflüssigen Daten, paukten Arabisch oder joggten. Von den in der irakischen Hauptstadt verbliebenen rund 100 Unscom-Mitarbeitern rechnete niemand mit der Abreise. Schließlich hatte Unscom-Chef Richard Butler die Devise ausgegeben, es sei wichtig, weiterhin im Irak Präsenz zu zeigen und jederzeit zur Wiederaufnahme der Inspektionen bereit zu sein. Doch gestern kam es anders.

Die irakische Entscheidung Anfang August, den Inspekteuren nur noch die Besichtigung bereits untersuchter Einrichtungen zu erlauben, und der jetzige völlige Bruch der Zusammenarbeit waren für die Unscom überraschend gekommen. In dem Abkommen zwischen der irakischen Regierung und UN- Generalsekretär Kofi Annan, mit dem Ende Februar in letzter Minute ein Krieg verhindert wurde, hatte die irakische Seite der Unscom ungehinderten Zugang zu allen Installationen zugesagt. Seitdem war die Arbeit der Inspekteure vergleichsweise reibungslos verlaufen.

Doch der letzte Unscom-Bericht an den UN-Generalsekretär vom 6. Oktober dürfte nicht nach irakischem Geschmack gewesen sein. Obwohl darin auch die Reibungslosigkeit der Inspektionen vermerkt ist, erwähnt der Bericht auch eine Reihe offener Fragen rund um das irakische B- und C-Waffen-Programm. Vor allem von der Unscom angeforderte irakische Dokumente lassen weiterhin auf sich warten.

In einem Fall wurde einem der Inspekteure sogar ein im irakischen Luftwaffenhauptquartier beschlagnahmtes Dokument entrissen. Nach Angaben des Inspekteurs, der das Papier überflogen hatte, enthielt es Informationen über chemische Munition.

Seit dem verkündeten Ende der Zusammenarbeit mit der Unscom hat sich die irakische Presse auf die Inspekteure eingeschossen. „Die Unscom, eine internationale Organisation oder ein Instrument der Spionage?“ fragt die Tageszeitung al-Dschumhuria (Die Republik). „Warum sollen wir einer Organisation, die sich als amerikanisches Instrument erwiesen hat und in der selbst israelische Agenten arbeiten, erlauben, in unserem Land herumzuschnüffeln?“ fragt der Chefredakteur des offiziellen Organs der regierenden Baath-Partei, ath-Thaura (Die Revolution). Er spielt dabei auf die Aussage des zurückgetretenen Waffeninspekteurs Scott Ritter Sommer an. Er gestand, den israelischen Geheimdienst über seine Erkenntnisse aus Bagdad informiert zu haben. Auch von US-Spionageflugzeugen für die Unscom aufgenommene Fotos irakischer Militäreinrichtungen gelangten angeblich in israelische Hände. Im Gegenzug soll Israel die Unscom mit Geheimdienstmaterial versorgt haben.

Die Unscom-Sprecherin in Bagdad, die britische Diplomatin Caroline Cross, betete noch am Dienstag ihre Standardantwort auf derartige Anschuldigungen herunter: „Wir sind hier als professionelles UN-Personal, um die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu erfüllen.“ Zu politischen Fragen wolle sie nichts sagen. Wichtige Entscheidungen würden in der Unscom-Zentrale in New York getroffen. „Wir hier sind nur so eine Art Fußsoldaten.“ Der gestrige Befehl zur Abreise hat sie bestätigt. Karim El-Gawhary