■ Soundcheck
: Böhse Onkelz / Boss Hog

Böhse Onkelz: Der 18-köpfige Ordnerdienst der Onkelz hatte alles im Griff, und vergeblich suchte man bei dem im Vorfeld so umstrittenen Konzert nach Handzetteln des Unmuts. „Verhaßt, Verdammt, Vergöttert“ wurde zum Motto des Abends und prangte von unzähligen T-Shirts. Selten war eine so einhellige Zustimmung zu einer Band zu beobachten: der Merchandising-Stand war in Kürze leergefegt, die Texte wurden von den gut 2000 Besuchern im Gaswerk mitgegröhlt und der Kopf der Band Klaus Weidner meinte gar, ihr Stück „Ich bin in dir“ beschreibe das Verhältnis der Band zu ihrem Publikum. „Die Onkelz sind die Wahrheit“ stammelte ein Besucher.

“Wieder mal ein Tag vertan“ hieß es dann, oder „Ich habe es satt, der Arsch zu sein.“ Dabei stand das Quartett aus Frankfurt vor einem Bühnenbild, das einen heruntergekommenen Hinterhof im Frankfurter Berg darstellte. Damit sind die Onkelz eine der Bands, die die underdogs der Gessellschaft sichtbar machen, die – von der Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen – im Hinterhof mit ihrer diffusen Wut gegen alles mögliche kicken. Die deutschen Texte sind jedoch der Vorteil vom onkeligen Stadionrock mit Bierfahne gegenüber ihren zahlreichen US-amerikanischen Vorbildern. Daß die Onkelz damit gegenwärtig auf Platz 6 der Charts sind, vier Plätze vor der Kelly Family, sagt einiges über die Verfassung unserer Gesellschaft aus.

Volker Marquardt/Foto: jms

Gehört: Boss Hog. Stehende Hitze. Schon bevor man sich am Dienstag ins Logo begab, um zu überprüfen, was denn nun an all dem Gehype um Boss Hog dran ist, überkam einen die Angst, dem Hitzetod wieder einmal nur um Haaresbreite entgehen zu können. Später fragte dann die vor allem beim männlichen Publikum beliebte Boss Hog-Shouterin Cristina atemlos: „Don't you have any airconditioning?“

Das totsichere Prinzip, die schnelle Nummer mit der „groovenden“ zu kombinieren, hielt einen bei Boss Hog dann aber bei der Stange. Jonathan (oder: Jon) Spencers Radikal-Definition von Rock'nRoll – betont durch verstimmte Gitarre und Blechschlagzeug – ist inzwischen sozusagen „weggereift“. Er trägt Pilzkopf und Koteletten, sieht, wenn er so zurückgelehnt die Sechssaitige beharkt, ungemein souverän aus. Die blonden Rastalocken der rhythmisch nickenden Schlagzeugerin blieben manchmal noch für einige Sekunden fühlerartig stehen, bevor sie schließlich ins Resthaar zurückfielen. Lediglich der Mann am Bass machte einen stoischen Eindruck.

Eine der Zugaben war „12XU“ von Wire, welches auch zum Repertoire vieler vergessener Hardcore/Punk-Combos gehörte. Boss Hog machten daraus eine Art Blues-Schuppen-Punk.

Jan-Christoph Wolter