Die Sorge vor dem Bumerang-Effekt

■ Weil es an vielen Enden fehlt, wünschen die meisten Schulen Sponsoren. Aber die Wirtschaft ist gar nicht so euphorisch

An der Grundschule Hemelingen ist es wie überall an Bremens Schulen: „Sportgeräte fehlen immer“, sagt die stellvertretende Leiterin Ingrid Linné, „bei Heften und Papier müssen wir eng haushalten“. Wenn ein Sponsor da helfen würde, wäre das willkommen. Aber von selbst ist noch keiner gekommen. „Da müssen wir wohl selber rangehen“, seufzt die Lehrerin. Auch bei den anderen Grundschulen im Umkreis gebe es keine Erfahrungen mit Schulsponsoring.

Die Bildungsdeputierten billigten gestern einmütig den Plan von Senatorin Bringfriede Kahrs (SPD), künftig Werbung an Schulen zuzulassen und das Geld den Schulen selbst zufließen zu lassen. Ein Argument: Sponsoring und Werbung seien ohnehin schon üblich.

Nicht jedoch am altehrwürdigen Gymnasium an der Hermann-Böse-Straße. „Hier stellen Ehemalige vielleicht mal ein Ruderboot zur Verfügung“, sagt Uwe Mester. Der Schulleiter ist mißtrauisch, welche Gegenleistungen die Firmen denn nun von den Schulen verlangen könnten. „Nachher sieht das hier aus wie im Gustav-Deetjen-Tunnel“, sagt Mester und denkt an die Reihen der Werbeplakate.

An anderen Schulen bezahlen Sponsoren Extras, von der Theaterproduktion bis zum Computer. „Wir haben unsere ganze Medienwerkstatt mit Kameras und Schnittplätzen von Firmen bezahlt bekommen“, sagt Norbert Rüpell, Leiter der Integrierten Stadtteilschule am Leibnizplatz. Werbung als Gegenleistung habe noch niemand verlangt. Einzelne Lehrer hätten sich gekümmert. Die Schulkonferenz, die nach der neuen Richtlinie die Sponsorenverträge absegnen soll, habe „immer erfreut zugestimmt“.

Die Eltern sind nicht dagegen. Es müsse aber sichergestellt sein, daß die Unterschiede zwischen Schulen von der Behörde ausgeglichen werden, sagt Joachim Knuth vom Zentralelternbeirat. Wie das geschehen könnte, sei noch nicht klar. Die GesamtschülerInnenvertretung sieht einen „Ausverkauf der Interessen von SchülerInnen“.

Noch weiter verbreitet als an den allgemeinbildenden Schulen ist Sponsoring in Berufsschulen. Im Schulzentrum am Rübekamp, wo Gastronomie-Azubis lernen, ließe sich laut Leiter Ottomar Bazak der „Standard der Ausbildung sonst nicht halten“. Pro Berufsschüler zahle die Behörde nur 50 Mark für Material. „Da kann ein Koch einmal im Jahr eine Seezunge kochen, und zehn andere gucken zu“, sagt Bazak. Und auch für die Ausstattung greifen die Firmen in die Tasche. Brauereien finanzieren die Übungsbrauerei. Neue Küchengeräte zahlt ein Unternehmen. Das Kalkül: Wer mit moderner Technik lernt, will im Beruf nicht darauf verzichten. Aber, sagt Bazak, für seine Gymnasialsparte sei es viel schwieriger, Geld zu bekommen.

Das weiß auch Wolfgang Berg von der Schule Butjadinger Straße Woltmershausen, einem Zentrum der Sekundarstufe I. Er habe 60 Bettelbriefe geschrieben, um Computer zu organisieren. Resonanz fast gleich Null. „Große Firmen sponsorn nicht popelige Schulen“.

In der Wirtschaft löst der Gedanke in der Tat keine Euphorie aus. Bei der Bremer Sparkasse heißt es, schon immer habe es für Sponsoren eine Gegenleistung gegeben, wenn Kinder etwa mit gesponsortem Unterrichtsmaterial über Geld an die Sparkasse gewöhnt würden. Was aber Werbung anginge, sei weniger oft mehr. Bei der Handelskrankenkasse sieht man zwar künftige potentielle Mitglieder als eine interessante Zielgruppe an, Konzepte für einen Werbefeldzug gibt es nicht.

Fachleute sind skeptisch: „Viele Firmen können Jugendliche besser über die Bravo erreichen“, meint Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft. Zu viel Reklame in der Schule und damit verbundene Kritik könne schnell zum Bume- rang werden. Joachim Fahrun