Hamburg schlägt München

■ Steigende Gebühren im rot-grauen Hamburg, sinkende im rot-grünen München Die taz recherchierte das spezielle Nord-Süd-Gefälle Von Florian Marten

Um durchschnittlich 180 Mark soll jeder Münchner Haushalt 1996 entlastet werden. Die SPD-Stadtratsfraktion erklärte 1996 zum „Gebührensenkungsjahr“. SPD-Fraktionschef Dietmar Keese: „Die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit sind erreicht.“ Günstiger werden in München Strom, Sielgebühren, Gas und Müll. Es gelte, so die Vize-Fraktionschefin Constanze Lindner-Schädlich, endlich die „schwächsten Bevölkerungsgruppen“ zu entlasten.

Hamburg geht unterdes seinen bewährten Weg weiter: Müll- und Abwassergebühren, seit Jahren im Steilflug, klettern ab 1. Januar weiter, die HEW hält an ihrer Hochpreispolitik fest, allein die Gaswerke geben – wie vorgeschrieben – den Rückgang der Erdölpreise, an die das Gas gekoppelt ist, brav an die Endverbraucher weiter. Die sogenannte „zweite Miete“, verstärkt noch durch die Grundsteuererhöhung, wird 1996 in Hamburg wieder einmal deutlich nach oben schnellen.

Dabei hatten sich einige Hamburger Politiker von der Ausgliederung der Stadtentwässerung, der Wasserwerke und der Stadtreinigung aus dem Hamburger Haushalt eine deutliche Kostenabsenkung bei den jeweiligen Unternehmen versprochen. Mit Ausnahme der Wasserwerke trat jedoch das Gegenteil ein: Die zwar immer noch staatlichen, doch rechtlich verselbständigten Unternehmen können fröhlich investieren und sich verschulden, ohne daß dies in den Haushaltsbüchern der Stadt auftaucht. Die Zeche begleichen diesmal allerdings nicht die Steuer-, sondern die GebührenzahlerInnen: Die gewaltigen Kosten von Neuinvestitionen, die unverändert hohen Kosten der Betriebsführung, die strategischen Fehlplanungen in der Abfallwirtschaft – all das wird über die Gebühren von Wasser, Siel und Müll direkt von den Endverbrauchern beglichen. Jetzt hat Umweltsenator Fritz Vahrenholt auch noch angekündigt, daß die Sanierung von Altdeponien nicht den Verursachern, der Industrie und den damals politisch Müllverantwortlichen, sondern den heutigen Endverbrauchern aufgedrückt wird.

In den vergangenen Jahren lag die Steigerung dieser Monopol-Gebühren jeweils saftig über der allgemeinen Teuerungsrate. Hamburg hat mit seiner Gebührenpolitik ganz massiv umverteilt – besonders aus den Taschen der Geringverdiener, da sich Gebühren nicht am Einkommen, sondern am Verbrauch orientieren. Opfer waren hier insbesondere Haushalte mit Kindern.

Hinzu kommt die Tarifpolitik der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW): Trotz einer kleinen Tarifänderung, die die Grundgebühren leicht absenkte, zahlen Kleinverbraucher und Privathaushalte weit überhöhte Preise. Zunächst haben die HEW, wie die Mehrzahl der großen Stromerzeuger, eine in Monopoljahrzehnten aufgebaute Luxusverwaltung: Ein aufgeblähter Stellenkegel, insbesondere im mittleren und oberen Bereich, sorgt in Verbindung mit üppigen Gehältern und vielen Tarif-Extras für überzogene Lohnkosten – ein offenes Geheimnis, das IG-Metall-Funktionäre, bei denen die HEW organisiert ist, unter der Hand jederzeit bestätigen. Doch auch die Stadt mischt kräftig mit: 1996 steigen die Strompreise wegen der Erhöhung der Konzessionsabgabe um fast drei Prozent und selbst der Kohlepfennig, der nicht mehr erhoben werden darf, soll, eventuell durch einen freiwilligen Ökofonds, der Stadt erhalten bleiben.

Doch München zeigt, wie es anders gehen könnte: Der Wegfall des Kohlepfennigs und eine radikale Verschlankung der Stadtwerke ermöglichen eine zweistellige Absenkung des Strompreises. Besonders erfolgreich auch die Müllpolitik: Der grüne Kommunalreferent Georg Welsch verminderte durch engagiertes Mülltrennen – z. B. Altpapiertonnen für jedes Haus – die Münchner Hausmüllberge weit über Erwarten. Das Ergebnis: Weniger Müll und ein kostensparender Verzicht auf überzogene Müllverbrennungskapazitäten ließen die Kosten der schon bislang preiswerten Münchner Müllbeseitigung um weitere 30 Prozent sinken.

Die Hamburger Behörden und Unternehmen juckt das wenig: Bei unserer Recherche zum Vergleich München/Hamburg reichten die Urteile von „umweltpolitisch verkehrt“ über „Das macht man doch nicht!“ bis zu „Die spinnen doch, die Münchner!“