Dem Feinen zugetan

■ Cricket-Saison neigt sich dem Ende zu Von Olaf Zühlke

Die Spieler sind konzentriert bei der Sache. Beim sonntäglichen Training des Hamburg Youth Cricket Clubs (HYCC) an der Wallstraße in St. Georg versucht ein Schlagmann mit einer platten Keule kleine Lederbälle abzuwehren, die ihm ein Vereinskamerad zuwirft. Trifft er das Ledergeschoß, eilen andere Mitspieler dem dahinhoppelnden Ball hinterher. Mancher Aktive ist etwas pummelig, aber auf Athletik kommt es beim Cricket nicht an: Ballgefühl und Reaktionsschnelligkeit sind wichtiger.

Die Spielregeln sind leicht zu verstehen – sofern man im Bereich des British Commonwealth aufwuchs. Wie im Mutterland Großbritannien ist Cricket in vielen ehemaligen Kolonien eine Art Nationalsport. In Deutschland ist Cricket eine Randsportart: Der Hamburger Sportbund verzeichnet 117 Aktive – allesamt Männer.

Im Gegensatz zum verwandten, bekannteren Baseball soll beim Cricket der Ball nicht möglichst weit geschlagen werden, sondern flach und präzise zwischen den Gegenspielern hindurch. Fängt nämlich ein Gegenspieler den Ball aus der Luft, ist der Schlagmann „out“. Außerdem hat Cricket „viel mehr Stil als Baseball“, meint Visvanathan Skandaknmar, Vizepräsident des HYCC. Der Reiz liege weniger in spektakulären Schlägen als in den Feinheiten der Spielführung. „Das Schöne ist, daß man durch Taktik viel erreichen kann“, erklärt Skandaknmar, „Cricket kann man durchaus mit Schach vergleichen.“ Auch in puncto Spieldauer trifft dieser Vergleich zu: Ein Cricket-Match beginnt um 11 Uhr und endet um 18 Uhr, unterbrochen von zwei Pausen für Lunch und Tea.

Der HYCC blickt auf eine siebenjährige Tradition zurück. Die Mitglieder kommen meist aus Pakistan, einige aus Indien: Urdu ist die inoffizielle Spielsprache. Viele Aktive sind Asylbewerber, die wenig Deutsch sprechen und kaum soziale Kontakte finden können. Für sie ist ihr Sport oft die einzige Möglichkeit, der staatlich verordneten Langeweile zu entgehen. Entsprechend engagiert sind die Spieler – mit einigem Erfolg: In den vergangenen zwei Jahren errang der HYCC die Norddeutsche Meisterschaft. In dieser Saison scheiterte man jedoch knapp am Lokalrivalen, dem Hamburger Cricket Verein (HCV).

Beide Clubs stehen vor ähnlichen Problemen. In Hamburg gibt es keine geeigneten Spielstätten, für Punktspiele müssen die Teams in eine ehemalige britische Kaserne nach Fallingbostel ausweichen. Das Training findet auf Grand-Bolzplätzen statt, auf denen die Bälle verspringen und die Verletzungsgefahr hoch ist. Im Winter ist an Freiluft-Cricket ohnehin nicht zu denken. Eine Halle steht nicht zur Verfügung. „Mies“, findet das der deutsche Nationalspieler Jamal Mirza vom HCV: Nach einem halben Jahr ohne richtiges Trainig sind Leistungsspieler außer Form.

Solche Sorgen sind dem dritten Hamburger Team, dem Hamburger Cricket Club (HCC), fremd. Hier ist Cricket reiner Freizeitsport. Vor fünf Jahren taten sich Hamburger Studenten aus Spaß an der skurrilen Sportart zusammen. Mit den beiden lokalen Spitzenteams kann der HCC sportlich nicht konkurrieren: Bei Freundschaftsspielen fühlt sich Michael Streithorst vom HCC so, „als ob man mit einer Freizeit-Fußballmannschaft gegen ein Team mit Matthäus und Klinsmann spielt“. Also kämpft die HCC-Freizeittruppe in einer niedrigeren Spielklasse gegen Teams anderer Universitäten.

Die beiden stärkeren Teams sähen es im übrigen gern, wenn mehr Deutsche bei ihnen dabei wären. Nicht nur, um die gesellschaftliche Integration der Mitglieder zu fördern – insgeheim hofft man dann auch auf größeres Entgegenkommen der Hamburger Behörden.