Ein sehr erfolgreicher Familienbetrieb

■ Die Mannschaft aus Lübeck-Moisling wurde am Sonnabend erstmals Deutscher Meister im Vierer-Einradfahren / Ein Gespräch mit dem Kapitän Gerhard Clasen

Die vier Kunst-Einradfahrer freuten sich wie Boris Becker nach seinem ersten Wimbledonsieg. Eine enthusiasmierte Zuschauerin warf eine gelbe Plüschente auf den Boden der Wandsbeker Sporthalle – auch den weniger fachkundigen Zuschauern war nach Ende der Kür klar, daß der SV Rot-Weiß Lübeck-Moisling einen blitzsauberen Wettkampf hingelegt hatte. Als dann an der Anzeigetafel die Wertung des Kampfgerichts erschien, jubelten die rund 50 mitgereisten Fans noch enthemmter: Die Hol-steiner waren erstmals Deutscher Meister im Vierer-Einradfahren. Damit hatte der einzige Nordverein, der an den Deutschen Meisterschaften im Hallen-Radsport teilnahm, gleich im ersten Wettbewerb einen Titel geholt. Die taz sprach am Sonnabend mit Gerhard Clasen, dem Kapitän der Siegermannschaft.

taz: Glückwunsch, Herr Clasen! Haben Sie damit gerechnet?

Gerhard Clasen: Nein, nicht wirklich. Wir haben zwar im April schon den Deutschen Bundespokal gewonnen, und in den letzten beiden Jahren waren wir Vizemeister. Aber nach dem Training heute morgen habe ich noch gesagt: „Kommt, Jungs, laßt uns lieber gleich nach Hause fahren.“

Worauf kommt es in Ihrer Sportart besonders an?

Gleichge-wicht und Körperbeherr-schung sind natürlich wichtig. Ganz entscheidend sind aber auch Konzentration und geistige Arbeit. Die Fahrer müssen das Fahrprogrammim Kopf haben, die Kürfiguren und Griffverbindungen müssen exakt ausgeführt werden.

Sie geben ihren Teamkollegen während des Wettkampfs aber doch Anweisungen?

Ja, aber nur ein Wort: „hopp!“ Dann wissen die anderen, daß jetzt die Figur zur endgültigen Ausführung kommt. Man sollte nur ein einziges Wort sagen, sonst kann das Kampfgericht Punkte abziehen.

Es läßt sich nicht übersehen, daß Sie nicht mehr der allerjüngste sind.

Ich werde demnächst 55. Es ist schon ungewöhnlich, daß man in diesem Alter noch fährt, aber meine Mannschaftskollegen drängeln immer, daß ich noch weitermachen soll. Mein Sohn und mein jüngerer Bruder sind übrigens mit im Meisterteam – drei Fahrer aus einer Familie.

Machen Sie gelegentlich Familienausflüge mit den Einrädern?

Nein, diese Räder sind speziell für den Hallensport gemacht worden. Die gehören auch nicht uns, sondern dem Verein. Wir sind aber öfter mal bei Veranstaltungen eingeladen, Turnhalleneröffnungen und so. Da gibt's auch mal ein paar Mark für die Clubkasse.

Dann ist ja Geld für eine große Meisterfeier da.

Zufällig hat unser Verein heute Stiftungsfest. Da fahren wir jetzt ganz schnell hin, weil die anderen Vereinsmitglieder uns bejubeln wollen. Moisling liegt ja verkehrsgünstig an der Autobahn. Außerdem werden wir sicher noch vom Bürgermeister und vom Landessportbund geehrt werden.

Fragen: Olaf Zühlke