Gericht geißelt Polizeikessel

■ Einsatz gegen Hamburger Demonstranten war unzulässig / Demonstration gegen Rostocker Krawalle wurde rechtswidrig behindert Von Kai von Appen

Eine Ohrfeige für die (Hamburger) Polizei: Der Einsatz gegen die Hamburger TeilnehmerInnen der antirassistischen Demonstration gegen die Krawalle in Rostock-Lichtenhagen am 29. August 1992 war unzulässig und rechtswidrig. Das ist das Ergebnis der gestrigen Verhandlung vor dem Schweriner Verwaltungsgericht, die mit einem Vergleich endete.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern, das von den Hamburger Gewerkschaftern Uwe Zabel und Rolf Lutzke verklagt worden war, gestand ein, daß die Einkesselung des „Hamburger Konvois“ durch die Bereitschaftspolizisten in Bad Doberan sowie die folgenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben.

Der Hamburger Polizeioffizier und damalige Leiter des fraglichen „Einsatzabschnitts II“, Gerhard Weißschnur, bestritt allerdings, derartige rigide Kontrollen angeordnet zu haben. Seine Vorgabe seien nur lockere „Sichtkontrollen“ gewesen, um Gewalttätige und das „RAF-Umfeld“ abzusondern. Er gehe davon aus, daß seine Anweisung auch umgesetzt worden sei. Weißschnur: „Jeder, der durchwollte, konnte passieren.“

Klägeranwältin Ursula Ehrhardt wies jedoch nach, daß niemand ohne Durchsuchung und Ausweiskontrolle durchgelassen wurde. Die Anwältin präsentierte Funkprotokolle, in denen eindeutig die vollzogene „Umschließung“ gemeldet und die „Durchsuchung“ angeordnet wurde.

In einem Exkurs über das Versammlungsrecht machte Verwaltungsgerichtspräsident Hobbeling deutlich, daß auch Sammelpunkte dem Schutz des Demonstrationsrechts unterliegen. Kontrollen der Demonstranten und Kläger hatten nur dann erfolgen dürfen, wenn von ihnen eine „konkrete Gefahr“ für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen wäre. Es sei unzulässig, 2 000 Teilnehmer stundenlang von einer Demo fernzuhalten, weil sich unter ihnen ein paar „schwarze Schafe“ befinden könnten. Hobbeling: „Wenn diese Personenkontrollen stattgefunden haben – und dafür spricht vieles - waren sie rechtswidrig.“

Daher bejahte das Gericht eindeutig das „Rehabilitationsinteresse“ der Kläger. Deren Kosten muß das Schweriner Innenminsterium übernehmen, dem Richter Hobbeling empfahl, den Vergleich zu akzeptieren und nicht auf einem Urteil zu bestehen: „Notfalls rufe ich selbst beim Staatssekretär an.“