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1080 Pfeifen für die Hauptstadt

■ Eimsbüttel verschenkt Kirchenorgel an Berliner Gemeinde

„Da oben steht Dornröschen, die ein Prinz wachküssen muß.“ Die euphorischen Worte von Günter Seggermann gelten der romantischen Röver-Orgel aus dem Jahre 1906, die in der Kapelle des Schröderstiftes steht. Der Hamburger Orgelsachverständige der Kulturbehörde – „ich arbeite ehrenamtlich und bekomme nur die Auslagen ersetzt“ – bekam einen Schock, als er das historische Instrument zum ersten Mal sah. „Seit 26 Jahren war die Orgel nicht mehr gespielt worden. Mir war sofort klar, daß wir dieses Instrument retten müssen.“

Die griechisch-orthodoxe Kirche, die die Räumlichkeiten im ehemaligen Wohnheim beim Schanzenpark nutzt, erlaubt in ihren Gottesdienstes nur die menschliche Stimme. „Eine Orgel muß jedoch regelmäßig bespielt werden“, erklärt Seggermann. Also machten sich das Bezirksamt Eimsbüttel als Besitzer und der Kirchenkreis Alt-Hamburg auf die Suche nach einem neuen Standort.

Und wurden in Berlin fündig. In der Plattenbaugemeinde Hohenschönhausen wagte man sich an einen Kirchenneubau und suchte nach einer Orgel. Schnell erklärte sich Pastor Albrecht Hoffmann bereit, den symbolischen Preis von einer Mark zu bezahlen. Kein Wunder, schätzt doch Seggermann den Neupreis auf 400.000 bis 450.000 Mark. „Dieses Geschenk“, lobte Hoffmann, „ist Deutschlandpolitik im besten Sinne.“ Nicht ganz so begeistert war bei der gestrigen Besichtigung der Berliner Orgelbaumeister Axel Stüber: „Die Orgel ist zwar sehr schön, aber kein romantisches Instrument mehr, seit die alten Pfeifen durch modern klingende ersetzt wurden.“ Außerdem fehle der Motor, der für den „Wind, also die Spielbarkeit notwendig ist“. Den hatten Studenten, die das Wohnheim seit 1971 nutzen, heimlich ausgebaut.

Trotz dieser Schwierigkeiten sollen die 1080 Pfeifen ab dem Jahr 2000 in Berlin ertönen. Am glücklichsten darüber ist der Hamburger Fachmann Seggermann: „Hier verschmutzt die Orgel doch nur.“

Eberhard Spohd

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