Eigene Schwester vergewaltigt

■ Neue Details im Prozeß um den mutmaßlichen Kindermörder Rieken /Erziehung mit „Zuckerbrot und Peitsche“/ Mit Angst der Opfer gespielt

Oldenburg. Der mutmaßliche Kindermörder Ronny Rieken (30) hat bereits als 21jähriger seine damals 19 Jahre alte Schwester mit ungewöhnlicher Brutalität vergewaltigt. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Oldenburg von 1989 hervor, das am Freitag vor der Schwurgerichtskammer des Oldenburger Landgerichts verlesen wurde.

Der Familienvater von drei Kindern ist angeklagt, die 13 Jahre alte Ulrike Everts and die elf jahre alte Christina Nytsch vergewaltigt und ermordet zu haben. Außerdem muß sich der ehemalige Binnenschiffer seit Donnerstag wegen anderer Vergewaltigungen vor dem Gericht verantworten. Rieken war mit Hilfe des bisher größten Massengentests der deutschen Kriminalgeschichte überführt worden.

Im ersten Vergewaltigungsprozeß gegen Rieken hatte das Gericht nach Anhörung der psychiatrischen Sachverständigen ein hohes Maß an Agressivität und Alkoholprobleme beim Angeklagten festgestellt. Nach einer wenig geordneten Erziehung „mit Zuckerbrot und Peitsche“ folge Rieken in seinem „dissozialen“ Verhalten mehr dem Lustprizip als den Anforderungen der Realität. Eine seelische Abartigkeit sei bei dem normal intelligenten Mann allerdings nicht gefunden worden.

Seine zunächst überraschte und dann wehrhafte Schwester hatte Rieken in der Wohnung der Mutter vielfach mit einem Gürtel bis zur Bewußtlosigkeit und Todesangst gewürgt. Er drohte der Schwester mit dem Tod, schleifte sie an Haaren und am Gürtel durch die Wohnung und vergewaltigte sie zweimal hintereinander. Wegen dieser Tat verurteilte ihn eine Strafkammer unter Vorsitz von Rolf Otterbein zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Otterbein ist auch Vorsitzender des Schwurgerichts, vor dem sich Rieken gegenwärtig verantworten muß. Weil das Urteil von 1989 nach Ansicht des Bundesgerichtshofs einen Formfehler bei der Strafmaßbegründung enthielt, wurde es aufgehoben. Eine andere Strafkammer verringerte die Strafe Ende 1990 auf fünfeinhalb Jahre.

Das Urteil von 1989 beschreibt das Martyrium des Opfers. Nach ihrer Anzeige bei der Polizei wurde die Schwester nach den Feststellungen des Gerichts in der Familie isoliert. Die Mutter unterstellte dem Opfer zur Verteidigung des Sohnes eine Mitschuld an der Gewalttat. Der Täter behauptete, das Opfer und deren Freund hätten die Beschuldigung im Rahmen eines „Komplotts“ gegen ihn erhoben.

Auf die Frage des Gerichtsvorsitzenden am Freitag, warum er die vergewaltigte Schwester damals „durch die ganz Feuerprobe“ des Verdachts einer Falschbeschuldigung habe laufen lassen, antwortet Rieken: „Ich hatte Angst vor dem Knast“. Das Opfer dagegen hatte auch trotz der brutalen Tat noch Mitleid mit dem Täter, hält ein am Freitag verlesenes psychologisches Gutachten fest. Er sei doch ihr Bruder habe sie damals betont. Und sie fürchte, ihn zu verlieren.

dpa