Die Russen kommen

Der „Club Dialog“ begreift sich seit 10 Jahren als Mittler bei der Integration russischsprachiger Emigranten  ■ Von Helmut Höge

Friedrich Schorlemmer bezeichnete die Initiative einmal als „Forum für Perestroika und Glasnost“. Im Mai 1988 war es jedoch zunächst eine Gruppe, zumeist mit Deutschen verheirateter Russinnen, die sich über ihre eigenen Interessen verständigen wollte: „Der ,Dialog‘ war ein politisches Programm, der fehlte nämlich in der DDR“, meint die Club-Gründerin Tatjana Forner. Zur Etablierung ihrer „Interessenvertretung“ nutzte die Gruppe ab November 1988 einen Raum im damaligen Haus der sowjetischen Wissenschaft und Kultur, in dessen dritter Etage der Club heute – als gemeinnütziger Verein – eingemietet ist. Damals gab es rund 6.000 Sowjetbürger in Berlin, heute leben über 80.000 russischsprachige Emigranten hier, mit 22 verschiedenen Nationalitäten, wobei die Rußlanddeutschen und die jüdischen Russen bzw. Sowjetbürger das Hauptkontingent stellen.

Der Club Dialog begreift sich als Mittler bei ihrer Integration. Schon vor zehn Jahren ging es den Frauen um „Vermittlung“. Damals noch ehrenamtlich, heute – gefördert von Senat und Arbeitsverwaltung – mit dreizehn Mitarbeitern. In der Friedrichstraße 176 findet die Informations-, Kommunikations- und Beratungstätigkeit statt, auf der Fischerinsel5 wird eine „Beratung und Betreuung osteuropäischer Frauen in Krisensituationen“ angeboten.

Und in der Chausseestraße 102 betreibt der Verein das Jugendzentrum „Scheune“. Es gibt dort den „Club Bardow“, der Liederabende organisiert, und einen „Club junger Familien mit Kindern“, ferner werden dort Computerkurse, Englischunterricht und Berufsberatung angeboten und wird ein trinationaler Jugendaustausch organisiert.

Als Ideal bezeichnet Tatjana Forner „eine Persönlichkeit, die in beiden Kulturen zu Hause ist“. Deswegen gibt es im Club Dialog sowohl Veranstaltungen zur deutschen Kultur und Geschichte wie auch Lesungen mit russischen Autoren und politische Diskussionen zur aktuellen Situation in Rußland. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit dem Kapitulationsmuseum in Karlshorst, wo man am 8. Mai gemeinsam den „Tag zur Beendigung des Krieges“ veranstaltet. Zusammen mit der Werkstatt der Kulturen beteiligt sich der Verein außerdem am Multikulti-Umzug, heuer hatte sein Karnevalswagen das Motto „Vorsicht, die Russen kommen“.

Trotz aller Bildungs- und Kulturangebote ist den „Dialog“- Frauen klar, daß das Arbeitsplatzproblem für die Emigranten „der problematischste Aspekt ihrer Integration“ ist, das heißt, „ohne Arbeit bleibt alles unverbindlich“. Und in dieser Hinsicht hat sich das soziale Klima in den letzten Jahren eher verschlechtert: Es ist trotz einer wachsenden russischen Infrastruktur in Berlin rauher und unfreundlicher geworden.

Obwohl „unsere Leute nicht wählerisch sind und viele mit Hochschulausbildung sich nicht scheuen, die einfachsten Arbeiten zu verrichten, liegt die Hoffnung der meisten bei ihren Kindern“. Der Verein kann hierbei nur im Rahmen seiner Beratung Hilfestellung anbieten bzw. im Club selbst – über ABM oder LKZ – einzelnen eine zeitlich begrenzte Arbeit verschaffen. Neben dem nicht abreißenden Strom Ratsuchender hat sich ein Stammpublikum herausgebildet – so existiert z.B. das „Literaturstudio“ seit fünf Jahren und die Frauengruppe Nazabudka bereits seit zehn. Es ist somit auch ihr Jubiläum.

Haus der russischen Kultur, Friedrichstraße 176, ab 16 Uhr, 10-Jahres-Feier