Menschenrechte, Meinungsfreiheit etc.
: Projekt Solidarität

■ Mit dem Writers-in-Prison-Day am 15.11. wirbt der PEN um Aufmerksamkeit für Verfolgte

Verfolgung von Schriftstellern hat es schon immer gegeben. Auch am Ende des 20. Jahrhunderts versuchen Regime, ihre Macht über den Geist durch Inhaftierungen, Bevormundungen, Zensur oder Folterungen zu demonstrieren, nicht selten auch mit der Hinrichtung von Regimekritikern, also Autoren. Denn Kritik und Autorenschaft sind nicht voneinander zu trennen. Schreiben – und damit der Schreibende–, sagte Albert Camus in seiner Nobelpreisrede, steht immer auf der Seite der Beherrschten. Anlässe wie der Dreyfus-Prozeß, der Emile Zola, Prototyp des eingreifenden Intellektuellen, vor über hundert Jahren dazu brachte zu sagen: „Indem ich diese Anklage erhebe, bin ich mir bewußt, daß ich mich der Verfolgung aufgrund der Artikel 30 und 31 des Pressegesetzes aussetze ... das nehme ich absichtlich auf mich...“, gäbe es auch heute genug.

Doch um das soziale Bewußtsein, das Camus stärken wollte und das Zola voraussetzte, ist es heute schlecht bestellt. Vom Typus des engagierten Autors der sechziger und siebziger Jahre ist nicht viel übriggeblieben. Dabei gibt es kaum eine Sprache und kaum ein Land, in dem Autoren keine Schikanen befürchten müssen. Etwa zwei Drittel der Weltautorenschaft, vor allem in osteuropäischen Ländern und in der sogenannten Dritten Welt, bewegen sich zwangsläufig auf dem Feld der Repression, wo Macht und Wort direkt und ungeschützt aufeinandertreffen. Das 20. Jahrhundert verzeichnet mehr Fälle von inhaftierten Autoren als die neunzehn Jahrhunderte zuvor zusammen. Länder wie China, Iran, Nigeria und die Türkei zählen zu jenen, die die meisten Autoren inhaftiert haben, wobei sich die Situation in Nigeria nach dem Tod des Generals Sani Abacha zu bessern beginnt.

Das 1960 ins Leben gerufene Writers-in-Prison-Committee des Internationalen PEN, zu dem mittlerweile 49 der insgesamt 130 nationalen PEN-Zentren zählen, versucht jedes Jahr am 15. November, mit dem „Tag des inhaftierten Autors“ die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Stellenwert der Menschenrechte und besonders des in Artikel 19 der UNO-Deklaration von 1948 festgeschriebenen Rechts auf freie Meinungsäußerung zu richten.

Es mag naiv sein, der Reihe der „Minderheitentage“ einen weiteren hinzuzufügen, und doch können die Betroffenen darin ein Zeichen der Solidarität erkennen – so simpel es auch ist. Wer als Autor wegen seiner Meinung und vielleicht wegen des Versuchs, etwas zu verändern im jeweiligen Land, ins Gefängnis gesteckt wird, braucht unsere Solidarität. So einfach ist das.

Mittlerweile ist der PEN als weltweit größte Schriftstellerorganisation und erste, die die Überwachung der Menschenrechte zu ihrer vordringlichsten Aufgabe gemacht hat, auf allen fünf Kontinenten aktiv. Koordiniert wird diese Arbeit durch die Writers-in-Prison-Zentrale in London, die das verstreute Engagement organisiert und bündelt. „Literatur kennt keine scheidenden Grenzen“, heißt es in der PEN-Charta. Deshalb kümmert man sich, wenn man sich um die verfolgten Autoren in anderen Ländern kümmert, immer zugleich auch um sich selbst.

Daß die PEN-Mitglieder sich regelmäßig mit Briefen an die Regierungen und Botschaften der Länder wenden, in denen ihre Kolleginnen und Kollegen inhaftiert und gefoltert werden, ist alltägliche Pflicht. Vielleicht noch wichtiger ist daneben die regelmäßige Betreuung der Langzeitinhaftierten, um ihnen immer wieder Hoffnung und Hilfe zu geben, solange eine Freilassung nicht zu erreichen ist. In ihrer Arbeit versuchen die PEN-Mitglieder denjenigen eine Stimme zu geben, die der Sprache beraubt und mundtot gemacht werden sollen.

Es ist nicht abwegig zu behaupten, daß der iranische Schriftsteller Faradsch Sarkuhi heute am Leben ist, weil es gelang, eine laute, weltweite Öffentlichkeit herzustellen, die auf die Machthaber in Teheran Eindruck machte. Die Bemühungen des PEN haben 1998 weltweit zur Freilassung von etwa einhundert Autoren geführt, darunter Mansur Rajih, ein Dichter aus dem Jemen, der während seiner 15jährigen Haft immer wieder von Hinrichtung bedroht war. Das ist ein guter Grund, um weiterzumachen. Rajvinder Singh

Der Autor ist Mitglied des deutschen PEN und arbeitet seit vielen Jahren für das Writers-in-Prison- Committee.